© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Frisch gepresst

Souveränität. Trotz einer Vernachlässigung durch die deutsche Staatslehre sei „Souveränität“ noch immer ein Leitbegriff des öffentlichen Rechts „in der ganzen Welt“. Allerdings, so steckt Karl Albrecht Schachtschneider gleich zu Beginn seiner bahnbrechenden „Grundlegung einer freiheitlichen Souveränitätslehre“ den Kampfplatz ab, hätten Europäisierung und Globalisierung das Souveränitätsbewußtsein geschwächt. Diese ursprünglich vom 2011 verstorbenen Karl Doehring gestellte Diagnose will Schachtschneider indes nur für die Souveränität der europäischen Nationalstaaten gelten lassen, nicht für die „Souveränität als Freiheit der Bürger“. Von diesem eigenwilligen Standpunkt aus unterzieht er diesen alten Leitbegriff historisch und systematisch einer neuen Analyse. Dies geschieht nicht als akademisches Glasperlenspielerei, denn er thematisiert stets die politische und letztlich auch ökonomische Funktionalität von Souveränitätsdiskursen. So fertigt er mit schneidender Schärfe die konformistische bundesdeutsche Staats- und Völkerrechtslehre ab, namentlich jüngere Kollegen wie Utz Schliesky, die sich anstrengen, den Souveränitätsbegriff „ihrem Europäismus gefügig zu machen“. Sie decken damit auch jene in der „Euro-Rettung“ und der Preisgabe von Staatsgrenzen immer offener zutage getretenen „Souveränitätsverletzungen der europäischen Integration“, denen sich Schachtschneider in einem bestechend argumentierenden Schlußkapitel zuwendet. (wm)

Karl A. Schachtschneider: Souveränität. Grundlegung einer freiheitlichen Souveränitätslehre. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2015, gebunden, 597 Seiten, 99,90 Euro




Zeitgeist. Als „gefährliches Biest“ bezeichnete Aldous Huxley einmal den Zeitgeist. Der Publizist Matthias Heitmann hat es nun gewagt, dieses Biest herauszufordern. Den „Zeitgeist“ sieht der dezidierte Liberale vor allem in der Bevormundungspolitik – Heitmann teilt gleichermaßen gegen Linke und Konservative aus. Dabei ist ihm die Lust an kontroverser Streitkultur deutlich anzumerken, wenn er etwa die Ökohysterie oder die Auswüchse des Feminismus kritisiert. Aus der traditionellen Frauenbewegung „von unten“ sei eine „Frauenbewegung von oben“ geworden, die den Bürger reguliere. Wenn Heitmann allerdings meint, es brauche in unserer Gesellschaft mehr „Ich-Gefühl“ anstatt Appelle ans „Wir-Gefühl“, dann mag man dahinter ein Fragezeichen zu setzen. (le)

Matthias Heitmann: Zeitgeisterjagd. Auf Safari durch das Dickicht des modernen politischen Denkens. TvR Medienverlag, Jena 2015, broschiert, 197 Seiten, 19,90 Euro