© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/15 / 23. Oktober 2015

Die Bürger müssen die Rechnung bezahlen
Windkraft: Dank der Milliarden aus der EEG-Umlage hat sich eine Industrie mit Zehntausenden Stellen etabliert
Christian Schreiber

Die Ökostromabgabe steigt ab 2016 von 6,17 auf 6,354 Cent pro Kilowattstunde (kWh)– plus Mehrwertsteuer. Was harmlos klingt, hat es in sich: bei Einführung der Zwangsumlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im Jahr 2000 waren es nur 0,37 Pfennige gewesen. Diese Verdreiunddreißigfachung bedeutet, daß eine Familie mit 5.000 kWh Stromverbrauch wegen der gesetzlichen Subventionierung von Solar-, Biomasse,- und Windstrom 378 Euro pro Jahr abführen muß.

Die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) versprochene Kostenbremse sei „Wunschdenken“ gewesen, klagte vorige Woche erwartungsgemäß der erklärte FDP-Anhänger und Präsident des Industrieverbands BDI, Ulrich Grillo. „Die hohe Belastung des Produktionsfaktors Strom gefährdet unsere Industrien.“ Das stimmt – für Tausende deutsche Mittelständler, die keine Lobby haben und nicht zu den 2.098 Unternehmen zählen, die von der „besonderen Ausgleichsregelung“ im EEG profitieren.

In Zukunft kaum noch von Subventionen abhängig?

Die Rheinzink Halbzeug GmbH in Datteln, die zum Grillo-Konzern gehört, zählte 2014 hingegen zu den insgesamt 2.779 EEG-Abnahmestellen, die 107.101 Gigawattstunden Strom „begünstigt“ beziehen und so etwa 5,1 Milliarden Euro an Umlage sparen. Die Rechnung dafür und für die Ökostromsubventionen – ab 2016 etwa 23,1 Milliarden Euro (entspricht dem Bundesverkehrsetat) – bezahlen die Privathaushalte und die nicht begünstigten Firmen.

Das politische „Auslaufmodell“ Steinkohle wurde 2014 nur mit 1,17 Milliarden Euro gefördert. Der „Kohlepfennig“ war bereits 1994 vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrige Sonderabgabe verworfen worden. Das EEG hat hingegen bislang allen Klagen auf Verfassungswidrigkeit widerstanden – obwohl die EEG-Umlage inwischen dem Fünffachen des einstigen Kohle-Strompreisaufschlags entspricht.

Ein Grund für die Widerstandskraft des ursprünglich rot-grünen und von allen Merkel-Kabinetten für sakrosankt erklärten EEG ist: Durch die per Gesetz eingetriebenen EEG-Milliarden gedeiht eine eigene „grüne“ und „klimaschützende“ Industrie. Und während Solarzellen inzwischen immer mehr aus Asien kommen, liefert die Windkraftbranche oft deutsche Wertarbeit. Allein onshore (an Land) gingen im 2013 Windräder mit einer Gesamtleistung von 4,75 Gigawatt (GW) ans Netz. Das gefällt aber Anwohnern und einem Teil der Umweltschützer gar nicht. Daher setzt die Windbranche verstärkt auf Offshore – Windparks in der Nord- und Ostsee. „Die Technologie wird sich schnell entwickeln und in Zukunft kaum noch von Subventionen abhängen“, sagte Andreas Schröter, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft DNV GL. „Offshore-Windenergie ist noch keine erwachsene Industrie, aber auf dem Weg dorthin.“ Die Erzeugungskosten für Strom aus On- und Offshore-Anlagen sind inzwischen von 15 bis 17 auf zehn Cent je Kilowattstunde gefallen.

Damit ist Windstrom aber immer noch mehr als doppelt so teuer wie solcher aus Braun- und Steinkohle. Wind onshore wird zudem mit durchschnittlich sechs bis sieben Cent/kWh subventioniert, Offshore-Strom mit über 14 Cent. Solarstromanlagen streichen hingegen zwischen elf und 50 Cent/kWh ein insgesamt 46 Prozent der gesamten EEG-Vergütung von etwa 22 Milliarden. Windstromanbieter erhalten etwa 28 Prozent und die Biomasse-Branche (Stichwort: Vermaisung der Landschaft, JF 23/15) immerhin 22 Prozent.

Während die chinesische Konkurrenz bei den Photovoltaikherstellern zu massiven Arbeitsplatzverlusten führte, vermeldete die Windenergie eine positive Entwicklung: Die Stellenzahl in der Windenergie stieg inzwischen auf 138.000 – mit Schwerpunkt in den norddeutschen Ländern. Marktführer in Deutschland und größter Arbeitgeber ist das 1984 von dem Elektrotechniker Aloys Wobben gegründete Unternehmen Enercon, was den 63jährigen Windpionier laut Neuer Osnabrücker Zeitung zum „reichsten Niedersachsen“ machte. Rund 13.000 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen in 30 Ländern und hält über 45 Prozent der Patente im Windenergiebereich.

Bei Onshore-Anlagen hält Enercon fast die Hälfte des deutschen Marktanteils – mit leicht rückläufiger Tendenz, was mit der gestiegenen Konkurrenz zusammenhängt. Weltweit hat Enercon mittlerweile mehr als 20.000 Wind-energieanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 28 Gigawatt installiert. Damit liegt Enercon weltweit auf Platz zwei und wird nur von der dänischen Konkurrenz Vestas (48.000 Anlagen mit 55 GW, 17.000 Beschäftigte) geschlagen. Der weltgrößte Windturbinenhersteller hatte in Deutschland 2013 einen Marktanteil von 16,7 Prozent, weltweit waren es 13,1 Prozent.

Massive Überkapazitäten führen zu sinkenden Preisen

Einer der Gewinner auf dem deutschen Markt ist Nordex mit Sitz in Rostock. Auch die Mecklenburger mußten – wie Enercon und Vestas – 2011/2012 mächtig bluten, seit 2013 befindet sich der Windturbinenbauer aber wieder in der Gewinnzone. Dies hängt auch damit zusammen, daß sich Nordex unter anderem von verlustreichen Produktionsstätten in den USA und China trennte und sich ganz auf den Bau von Festland-Anlagen konzentrierte. In den vergangenen beiden Jahren hat das Unternehmen zusätzliche Aufträge in Höhe von rund zwei Milliarden Euro erhalten, der Marktanteil beträgt mittlerweile knapp zwölf Prozent.

Nordex produziert ausschließlich Schwachwindanlagen, die mehr und mehr zum Exportschlager werden. Die Exportquote beträgt derzeit rund 66 Prozent. International gehören China, die USA, Deutschland und Spanien zu den größten Erzeugern von Windstrom. Zu Beginn der Energiewende hatten die führenden Hersteller mit Standorten in Deutschland noch einen Marktanteil von mehr als 36 Prozent, schon zwei Jahre später hatten allein die fünf größten asiatischen Firmen einen Weltmarktanteil von 36 Prozent erreicht.

Die Exportquote deutscher Hersteller wird derzeit auf 67 Prozent beziffert. Mit einer Prognose über weitere Umsätze tun sich selbst Experten schwer. Fast alle EEG-Profiteure haben mittlerweile massive Überkapazitäten, was einerseits zu sinkenden Preisen, aber auch zu abnehmenden Umsätzen führen könnte. Da aber auch Banken an EEG-Projekten gut mitverdienen, wird die Politik die Branche sicher nicht untergehen lassen.

Liste des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle mit Firmen, die 2014 von der EEG-Ausgleichsregelung profitierten: bafa.de