In Walter Davys nach der gleichnamigen Novelle von Joseph Roth inszeniertem Fernsehfilm „Stationschef Fallmerayer“ steht die Suche eines Mannes nach dem Sinn des Daseins im Mittelpunkt. Adam Fallmerayer (Wolfgang Hübsch), dessen Leben an der Seite seiner Frau und der gemeinsamen Kinder von Monotonie geprägt ist, arbeitet als Stationschef eines kleinen Bahnhofs auf der Südbahnstrecke in Österreich-Ungarn. Im März 1914 verunglückt dort ein Expreßzug. Eine der Reisenden, die schöne russische Gräfin Anja Walewska (Odile Versois), quartiert sich für einige Tage in seinem Haus ein. Fallmerayer verliebt sich unsterblich in die attraktive Frau. Doch als die Gräfin weiter zu ihrem Mann nach Rom fährt, bleibt für ihn nur ein Dankesbrief. Der Stationschef kann jedoch nicht aufhören, weiterhin oft an sie zu denken.

Als der Erste Weltkrieg ausbricht, wird Fallmerayer mit seinem Jägerbataillon in Rußland eingesetzt. Dort sucht und findet er die Adlige auf ihrem Landsitz. Da der Graf an der Front ist, verbringt er seinen Urlaub nicht bei seiner Familie, sondern bei der einsamen Gräfin. Nach dem Siegeszug der Roten folgt er der Russin als deren Geliebter an die französische Riviera, wo die Walewskas eine kleine Villa besitzen. Als Anja im 6. Monat schwanger ist, erfährt sie, daß ihr lange vermißter Ehemann schwer verletzt aus dem Krieg zurückgekehrt ist …

Regisseur und Drehbuchautor Walter Davy legt mit „Stationschef Fallmerayer“(1975) eine außergewöhnliche Literaturverfilmung vor. Spiegelt sich in Joseph Roths Erzählwerk das Schicksal jener österreichischen Generation, die durch den Untergang der k.u.k. Monarchie seelisch tief getroffen ist, sowie die Auseinandersetzung mit einer entgötterten Nachwelt, so ist Davys Film eine wehmütige und liebevolle Erinnerung an die Habsburger Monarchie. Mit der Geschichte eines Franz Joseph dienenden Offiziers blättert er nicht nur ein tragisches Einzelschicksal auf, sondern zeichnet zugleich ein umfassendes Bild des alten Österreichs und seines Untergangs. Wenn Fallmerayer am Ende den Sinn der ihm auferlegten Prüfungen begreift, vollendet sich eine schwermütige Liebesgeschichte über den Sündenfall eines durch Herzenseinfalt gekennzeichneten, entwurzelten und zur Heimatlosigkeit verdammten Mannes.

DVD: Stationschef Fallme-rayer. Pidax-Film 2015, Laufzeit etwa 88 Minuten