© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

Elsässer geben sich nicht geschlagen
Frankreich: Mit regionalen Bündnissen und farbenfrohem Protest wollen die Elsaß-Aktivisten die verhaßte Gebietsreform stoppen
Taras Maygutiak

Noch vor einigen Monaten war die rot-weiße Flagge des Elsaß nur einer kleinen Minderheit im eigenen Land bekannt. Schnee von gestern.  Bei Demonstrationen im Frühjahr, die unter dem Motto „Freies Elsaß“ standen, oder am vergangenen Wochenende, als wieder um die 2.000 Menschen unter der Überschrift „’s geht ums Elsaß – Unser Recht! Unsere Sprache“ durch die Straßburger Innenstadt zogen, war das rot-weiße Tuch allgegenwärtig. 

Stein des Anstoßes ist die Territorialreform, die ab 1. Januar 2016 greifen soll. Ziel dieser Reform ist es, die Zahl der 22 Regionen in Frankreich auf 13 zu reduzieren. Für die Elsässer heißt das, daß sich ihre Region in einer Megaregion, die zweimal so groß wie Belgien ist, auflösen wird. Kurzerhand wurden am Reißbrett die Regionen Elsaß-Champagne-Ardennes-Lorraine (ACAL) verschmolzen. Eine Anhörung der Regionen oder gar eine Befragung der Bürger gab es dazu nicht.

Doch der Unmut vieler Elsässer darüber ist längst nicht verraucht. Für Jean-Marie Woehrling, Präsident des Elsässischen Kulturzentrums in Straßburg kommt dies auch nicht von ungefähr. Zwar habe Paris als Grund für die Gebietsreform Einsparungen genannt, doch seien inzwischen die Zweifel groß, daß die Reform überhaupt zu nennenswerten Einsparungen führen wird, so der ehemalige Präsident des Straßburger Verwaltungsgerichts bei einem Vortrag im badischen Rastatt. Wenigstens in der ersten Phase werde sie mehr Geld kosten, und selbst wenn sie erfolgreich wäre, würden Einsparungen erst nach mehreren Jahren möglich sein – und zudem „ziemlich beschränkt“ bleiben. Überhaupt werde es unter dem Strich  ab 2016 keine Änderung des zentralistischen Systems in Frankreich geben. 

Ähnlich wie bei der Bretagne oder Korsika, die von der Reform unberührt bleiben, drücke sich die Identität des Elsaß in seiner Sprache, Kultur, Geschichte, Tradition, der Mentalität sowie der geographischen Lage aus, betont Woehrling und kritisiert den Umstand, daß Paris dies mit dem Argument abtue, die Gebietskörperschaft „Region“ sei nicht dazu da, die regionale Identität zu verkörpern. Premier Manuel Valls  hatte gar erklärt: „Es gibt kein elsässisches Volk.“ 

Doch die Elsässer wollen sich nicht  geschlagen geben, wie die Demonstrationen und auch das Erstarken der elsässischen Partei „Unser Land“ zeigen. Um politisch mehr Druck gegen die Fusion ausüben zu können, verbündete sie sich mit Blick auf die Regionalwahlen am 6. und 13. Dezember mit der Lothringischen Partei (Parti Lorrain). Das ökologisch-unabhängige Bündnis (Alliance Ecologiste Indépendante) und 57-Partei der Moselaner (57-Le Parti des Mosellans) sind unter dem Motto „Nein zu ACAL, ja zu unseren Regionen!“ mit von der Partie.