© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

„Ohne Härten geht das nicht“
Der Markt erzwingt Trennbankensystem: Aufspaltung und Neuausrichtung soll die Deutsche Bank retten
Thomas Kirchner

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel dürfte sich freuen: Die Deutsche Bank trennt ihre Investmentsparte vom Privatkundengeschäft. Freiwillig. Das Trennbankensystem war eine der Reformforderungen des SPD-Chefs und seines gescheiterten Spitzenkandidaten Peer Steinbrück aus dem Bundestagswahlkampf 2013. Die Gründe für die freiwillige Aufspaltung der größten deutschen Privatbank sind allerdings wirtschaftlicher und nicht politischer Natur.

Das Konzept der Universalbank, die ihren Kunden neben klassischen Sparkonten oder Bankkrediten auch Zugang zu Kapitalmärkten bietet, war eines der strategischen Ziele europäischer Banken seit den 1990er Jahren. Um das bestehende, klassische Bankgeschäft um schlagkräftige Investmentabteilungen zu erweitern, ging man auf Einkaufstour auf den Britischen Inseln und in den USA. Die Expansion in Amerika ist jedoch für kaum eine europäische Bank gut gelaufen. Die Mentalität der Investmentbanker ist selbst für Engländer schwer zu fassen. Um so schlechter stehen die Karten für die Deutschen.

Die 2009 endgültig aufgelöste Dresdner Bank mußte beim Kauf der US-Investmentbank Wasserstein Perella eine Milliarde abschreiben. Zwei Jahre nach dem Kauf hatten die Angestellten die Nase voll von deutscher Bankenbürokratie und gingen zum Konkurrenten Lazard. Die öffentlichen Landesbanken wollten ihre geballten Kenntnisse aus dem globalen Immobiliengeschäft in den USA versilbern und wurden dadurch zum Sanierungsfall. Die Londoner Barclays Bank wird mit den Resten von Lehman auch nicht so richtig glücklich – über den Verkauf des Brokergeschäfts für Superreiche wird derzeit gemunkelt.

Barclays Kauf der Indexfondssparte von Wells Fargo-Nikko (USA/Japan) 1996 bleibt eine der wenigen Erfolgsgeschichten, die aber 2009 mit dem Verkauf an den weltgrößten Vermögensverwalter BackRock endete. Die in der Weltfinanzkrise teilweise wieder rückverstaatlichte BNP Paribas kaufte das Prime Brokergeschäft der Bank of America, vergrault aber mit Service in französischer Qualität die lukrativen Hedgefonds. Globalisierung rückwärts sozusagen. Die Pariser Société Générale verweigerte ihrem Starmanager bei der US-Filiale TCW eine Gehaltserhöhung auf hundert Millionen. Also gründete Jeffrey Gundlach ein Konkurrenzunternehmen, Kunden zogen 30 Milliarden bei TCW ab. Der Doubleline Capital-Gründer dürfte inzwischen ein Vielfaches seiner ursprünglichen Forderung an Jahresgewinnen verbuchen.

Konservative Bankiers contra flinke Banker

Die UBS legte mit dem Namen auch die Philosophie des Schweizerischen Bankvereins zu den Akten, steht heute aber unter Druck der US-Fondsgesellschaft Knight Vinke, ebenfalls ihr Geschäft aufzuspalten. Die Deutsche Bank war trotz ihrer wenig glorreichen Käufe von Bankers Trust, Alex. Brown und Mortgage IT noch eine der vergleichsweise erfolgreichen EU-Adressen. In der Theorie war die Universalbank eine tolle Vision, die sich in der Praxis nicht bewährte. Die Kluft zwischen konservativen Bankiers, wie sie sich Privatkunden wünschen, und flinken Bankern, die Firmenkunden über das glatte Parkett der globalen Finanzmärkte geleiten, bleibt unüberwindbar.

Zu diesem grundsätzlichen Dilemma kommen bei der Deutschen Bank noch ein paar selbstverschuldete Skandale dazu: Libor (JF 51/13), Zwangsversteigerungen (JF 12/15), Mehrwertsteuerbetrug – überall waren die Frankfurter dabei. Nun droht Ärger wegen Geldwäsche und Verstoß gegen die Rußland-Sanktionen. Selbst für die tragischen Selbstmorde zweier Angestellter wurde die Deutsche Bank verantwortlich gemacht. Ungewöhnlich ist das nicht. Finanzunternehmen stehen im Mittelpunkt wirtschaftlicher Aktivität, und wer kann schon Steuern hinterziehen, ohne dabei eine Bank zu nutzen und deren Kontrollen auszutricksen. Die Aufsichtsbehörden tun ihr Übriges, um der Deutschen Bank das Geschäft zu versauern. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ist eine politische Behörde, die sich nur nebenbei mit sinnvoller Regulierung beschäftigt. Bonushöchstgrenzen helfen im Wahlkampf, haben jedoch dazu geführt, daß viele Topangestellte zu Hedgefonds oder Neugründungen wie Evercore oder Zaoui & Co. (London) abgewandert sind. Die amerikanische Bankenaufsicht setzt die Kapitalanforderungen für europäische Banken herauf, was nicht gerade ein Vertrauensbeweis in die EU-Aufsichtskollegen ist, aber leider auf dem Rücken der Banken ausgetragen wird.

Das größte Problem der Bank ist, daß sie in Deutschland im Rampenlicht steht. Die Aussage des Aufsichtsratschefs Paul Achleitner, grundlegende Reorganisation gehe „nicht ohne Härten“ ab, dürfte kaum für Sympathie sorgen. Wie gut hat es doch Goldman Sachs, wo man sich auf das Investmentgeschäft konzentrieren kann. Über die New Yorker jammern die Medien mindestens genausoviel, doch Lloyd Blankfein & Co. zucken einfach mit den Achseln und machen trotzig weiter. Ohne Privatkundengeschäft am Bein muß man keine Rücksicht auf sein Image in den Leitmedien nehmen.

Die Aufspaltung der Deutschen Bank dürfte dem langsamen Abstieg entgegenwirken. Der britische Co-Chef John Cryan will „eine besser kontrollierte, kosteneffizientere und stärker fokussierte Bank schaffen“. Mehr Entscheidungsgewalt liegt künftig beim Vorstand, wenn zehn der 16 Ausschüsse abgeschafft werden. Nach der Aufspaltung und Entbürokratisierung werden sich die beiden neuen Unternehmen mit den Markterfordernissen wohl weniger schwertun.

Beschluß zur organisatorischen und personellen Neuordnung der Deutschen Bank: db.com/