© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Nochmalige Lektüre des neuen Asterix-Abenteuers „Der Papyrus des Cäsar“ (JF 44/15), das nur so vor vielen witzigen medienkritischen Anspielungen strotzt. Kostproben: „Ja, viele Leute neigen dazu, zu glauben, was geschrieben steht. Ein seltsames Phänomen“ (Miraculix), „Wir vertrauen nur dem gesprochenen Wort“ (Asterix), „Man darf eben nicht alles glauben, was man liest“ (Obelix). Außerdem gibt es einen stummen numidischen Schreiber namens Bigdatha, der einem Reporter eine Schriftrolle zuspielt, zwei Zeitungen heißen „Imago“ und „Tempus“ (Lateiner vor!), zwei Legionäre Antivirus und Datenflus, ein römisches Zensurkommando startet einen Lauschangriff. Und das alles wegen eines Dokuments, das, wenn es bekannt wird, einen Skandal verursacht, „der das gesamte Reich bis in seine Grundfesten erschüttert“. Erinnert sich noch jemand an einen analogen Satz, der während eines der größten deutschen Medienskandale gefallen ist?

Für alle Freunde von Charles Bukowski ist eine kleine Sensation anzuzeigen. Einundzwanzig Jahre nach dem Tod des US-amerikanischen Dichters und Geschichtenerzählers mit deutschen Wurzeln sind soeben im Augsburger Maro-Verlag 72 erstmals ins Deutsche übersetzte Gedichte aus seinem Œuvre erschienen. Hintergrund: Für die 1989 veröffentlichte, inzwischen vergriffene Sammlung „Roter Mercedes“ hatte der langjährige kongeniale Bukowski-Übersetzer Carl Weissner nur die erste Hälfte der Gedichte aus dem Originalband „You Get So Alone at Times That It Just Makes Sense“ übertragen. Der Rest sei aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen – Weissner starb 2012 – „schlicht vergessen“ worden, wie der Maro-Verlag mitteilt. Jetzt liegen auch die fehlenden Poeme in dem Band „Alle reden zuviel (und andere Gedichte)“ vor und bieten eine wunderbare Gelegenheit, sich wieder einmal intensiver mit Charles Bukowski zu beschäftigen. Ich tue das seit über drei Jahrzehnten, zuweilen auch hier in den Streifzügen (JF 37/14). Er spricht mir einfach aus der Seele. So erzählt er in dem im neuen Band enthaltenen Gedicht „Freunde in der Dunkelheit“, wie er als junger Mann allein mit leerem Magen in einem winzigen Zimmer in einer fremden Stadt bei heruntergelassenen Jalousien klassische Musik gehört habe und Mozart, Bach, Beethoven und Brahms seine einzigen Gesprächspartner gewesen seien. Das Gedicht endet dann mit den Zeilen: „Alles, was man manchmal braucht,/ um alleine klarzukommen,/ sind die Toten/ die an den Mauern rütteln,/ die einen einsperren.“