© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/15 / 30. Oktober 2015

Knapp daneben
Einkaufen dient dem Gemeinwohl
Karl Heinzen

Der einzelne Mensch ist der Dreh- und Angelpunkt unserer Werteordnung. Leider fällt es ihm oft schwer, diesem besonderen Rang durch ein angemessenes Verhalten gerecht zu werden. Immer wieder scheint es ihm sogar geradezu Freude zu bereiten, die von Gott, der Natur, den Vereinten Nationen oder wem auch immer ausgerufenen Menschenrechte zu mißbrauchen. Dies wäre unverzeihlich, wenn er wirklich der Herr seines Willens wäre. Zu seiner Entschuldigung läßt sich jedoch anführen, daß er auf seinem Lebensweg von der Geburt an durch Mitmenschen und gesellschaftliche Zwänge seelisch deformiert wird und als mentaler Krüppel allen möglichen Süchten erliegt.

Viele dieser Abhängigkeiten sind gut erforscht. Man weiß, wie Alkohol, Zigaretten, Sex oder Fernsehen die Menschen ruinieren. Über die Kaufsucht hingegen ist wenig bekannt. Auch die Weltgesundheitsorganisation schweigt sich über sie aus.

Anstatt ihre Probleme zu lösen, gehen die Leute los und verschwenden ihr Geld für unnötiges Zeug.

Licht ins Dunkel bringt nun eine Studie der Universität Bergen. 23.500 Menschen stellten sich den Fragen der norwegischen Sozialforscher und gaben freimütig Auskunft zu ihrem Kaufverhalten. Das Fazit aus den tiefen Einblicken in die Konsumentenseele ist alarmierend. Frustkäufe, die den trüben Alltag aufhellen sollen, sind weit verbreitet. Anstatt sachlich ihre Probleme zu lösen, gehen die Leute in irgendeinen Laden und verschwenden ihr Geld für unnötiges Zeug. Manche geraten in eine Kaufspirale, die sie zu immer höheren und immer nutzloseren Ausgaben drängt und in Überschuldung und Depression enden läßt. Besonders gefährdet sind junge Frauen, die ihre Sucht mit Kleidung, Schmuck, Kosmetik oder Lebensmitteln stillen. Labile Männer hingegen sind eher auf Technik oder Modeartikel fixiert.

Es hat einen guten Grund, daß diese Studie in Norwegen entstanden ist: In einer Wohlstandsoase muß man sich um das Bruttosozialprodukt keine Sorgen machen. Bei uns ist das anders. Der einzelne mag noch so verhaltensgestört und unzurechnungsfähig sein. Als Konsument trägt er mit seinen Einkäufen zum stets gefährdeten Wirtschaftswachstum bei und dient damit dem Gemeinwohl.