© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

„Auf des Messers Schneide“
AfD: In Berlin will die Partei am Sonnabend gegen die Asylpolitik demonstrieren
Marcus Schmidt

Erfurt, Dresden, Gera, Hamburg, Freilassing, Passau, Berlin. Die Liste der Orte, in denen die Landesverbände der AfD gegen die Asylpolitik der Bundesregierung demonstriert wird von Woche zu Woche länger. Am  kommenden Sonnabend will nun auch die Bundespartei mit einer großen Demonstration in der Hauptstadt unter dem Motto „Asyl braucht Grenzen. Rote Karte für Merkel“ ein Zeichen setzen. Die AfD hofft auf mehrere tausend Teilnehmer aus ganz Deutschland. Als Redner sind die Parteisprecher Frauke Petry, Jörg Meuthen sowie die stellvertretenden Parteivorsitzenden Beatrix von Storch und Alexander Gauland angekündigt. 

Mit der Demonstration in Berlin, die vom Roten Rathaus über die Straße Unter den Linden zum Hauptbahnhof führt, will die Parteispitze auch einen Schlußpunkt unter die Anfang Oktober ausgerufene „Herbstoffensive“ der AfD setzen. Mit dieser wollte die Partei ihre Kernthemen „Asylchaos und Eurokrise“ unters Volk bringen. 

Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene mobilisiert die Partei seit Wochen ihre Anhänger und organisiertBusse und Mitfahrgelegenheiten nach Berlin. Denn die Parteispitze weiß ganz genau: Eine Demonstration mit einigen hundert Teilnehmern würde in der Öffentlichkeit als Mißerfolg wahrgenommen werden. Hinter vorgehaltener Hand werden in der Partei 4.000 bis 5.000 Teilnehmer als Meßlatte für einen Erfolg genannt. In einer Mail von Petry und Meuthen an die Mitglieder hieß es am Dienstag dazu: „Wir erwarten mehrere tausend Mitglieder und Unterstützer.“

Auch aus Bayern hat sich Unterstützung für die Berliner Großdemonstration angesagt. Hier hatte der Landesverband erst am vergangenen Sonnabend im Asylbrennpunkt Passau 1.300 Anhänger auf die Straße gebracht. „Unter den Demonstranten in Passau waren vielleicht 150 AfD-Mitglieder“, berichtete der bayerische Parteichef Petr Bystron der JUNGEN FREIHEIT. Nicht nur in der Stadt an der Grenze zu Österreich, einem der Brennpunkte der Asylkrise in Bayern, sei der Zuspruch für die Partei im Freistaat derzeit enorm. „Ganz normale  Bürger kommen bewegt und glücklich auf uns zu und sagen: ‘Gott sei Dank setzt sich endlich jemand gegen diesen Wahnsinn ein’“. Diese Stimmung mache sich auch bei der Mitgliederwerbung bemerkbar. „In Bayern haben wir derzeit 340 Aufnahmeanträge in der Warteschleife“, berichtet Bystron.

Störaktionen politischer Gegner

Dennoch: Für die AfD sind die Demonstrationen bei allen Erfolgsmeldungen eine zweischneidige Sache. Zum einen garantieren sie der Partei in den Medien ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Damit schärft die AfD von sich in der Öffentlichkeit das Bild einer Partei, die in der Asylpolitik für einen Kurswechsel eintritt.

Andererseits birgt dieses Konzept der „Straßenpolitik“ auch gewisse Gefahren. So hat die Partei auf den Demonstrationen, denen sich praktisch jedermann anschließen kann, nur noch bedingt in der Hand, wer sich dort unter ihren Fahnen versammelt. „Solche Demonstrationen sind immer ein Tanz auf des Messers Schneide. Du kannst nie hundertprozentig kontrollieren, welche Leute mitlaufen“, schildert Bystron seine Erfahrungen.

So löste die Partei am vergangenen Sonnabend im sächsischen Mittweida eine Veranstaltung mit 400 Teilnehmern vorzeitig auf. Zur Begründung hieß es, zuvor hätten Rechtsextremisten sowie Linksextremisten damit begonnen, sich unter die Teilnehmer zu mischen, beziehungsweise eine Sitzblockade angekündigt. 

Auf der AfD-Demonstration am vergangenen Wochenende in Berlin mischte sich der linke Aktivist Felix Herzog unter die Demonstranten. Er hielt ein Schild mit der Aufschrift „Merkel muß weg“ in die Höhe. Nach Beginn der Veranstaltung klappte er diese Aufschrift herunter; zum Vorschein kam auf neongelbem Untergrund der Schriftzug „#Nazis“. Dazu hatte Herzog einige Pfeile gemalt, die nach unten und damit auf die umstehenden Demonstranten zeigten. Vermutlich nicht zufällig fand das Bild unter anderem über die Nachrichtenagentur dpa rasch Verbreitung in den Medien. Die Aktion begründete er mit einem angeblichen „Rechtsruck“ der AfD. „Ich wollte klar aufzeigen, daß das, was die AfD an Inhalten transportiert Parolen, sind, die wir schon vor 70 Jahren hatten. Deutlich machen, daß das im Prinzip Nazi-Parolen sind“, sagte er dem Spiegel-Online-Ableger Bento. 

Über die Reaktionen auf seine Aktion äußerte sich Herzog fast schon enttäuscht. „Die Polizei hat mich in Ruhe gelassen, die AfD-Anhänger auch. Von der Bühne kam auch nichts. Ich war überrascht, wie glimpflich ich davongekommen bin.“ Ganz folgenlos wird sein Schildertausch vermutlich nicht bleiben. Einige der umstehenden AfD-Anhänger, die sich durch die in den Medien veröffentlichten Bilder als „Nazis“ verunglimpft sehen, prüfen nach Information der JF eine Anzeige gegen den Polit-Aktivisten. Die Partei erwägt zudem, die betroffenen Personen bei einer möglichen Verleumdungsklage gegen Herzog zu unterstützen. 

Auch für diesen Sonnabend wird mit Störaktionen der politischen Gegner gerechnet. Neben Linksextremisten hat auch ein Berliner Parteienbündnis aus SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen,  und der Linkspartei zu Protesten gegen die AfD-Demonstration aufgerufen.

Die Demonstration der AfD in Berlin startet am Sonnabend um 13 Uhr am Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus.