© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Grüße aus Kapstadt
Lieber nicht nach Europa
Yorck Tomkyle

Was soll ich in diesen Tagen aus dem sonnigen Südafrika an ein deutsches Lesepublikum schreiben, das sich seit Wochen im Fokus einer der aktuell größten globalen Krisen sieht? Natürlich könnte ich darauf verweisen, daß Deutschland im Begriff ist, sich die Probleme, die Südafrika sozusagen seit mehreren hundert Jahren hat, in Rekordzeit selbst zu machen.

Das würde allerdings den Rahmen dieser Kolumne sprengen, und so will ich bei meinen Leisten bleiben.

Ich habe am Kap sehr liebe Freunde, unter ihnen auch eine Burenfamilie mit drei Kindern – 15, 13 und acht Jahre alt. Als wir uns kürzlich mal wieder zum Braai (zu deutsch: zum Grillen) trafen – der Freizeitbeschäftigung Nummer eins hier unten –, kam die Sprache auf die weiterführende Ausbildung der Kinder. 

Angesichts der zunehmenden umgekehrten Apartheid in Südafrika und eingedenk der Tatsache, daß der Familienvater durch seine holländische Mutter auch einen niederländischen Paß besitzt, ging er eigentlich jahrelang davon aus, daß die Kinder in Europa studieren.

Das von den burischen Eltern favorisierte Studium an einer Uni in Europa ist gestorben. 

„Das,“ so meine Freunde unisono, „scheidet wohl angesichts dessen, was jetzt und in Zukunft in Europa los ist und sein wird, aus.“ Sehr nüchtern entschieden wir dann, daß der Nachwuchs nun wohl doch lieber in Südafrika studieren soll.

Daß dies jedoch auch nicht so einfach sein wird, zeigt sich aktuell an den jüngsten Studentenprotesten, die sich daran entzünden, daß die südafrikanische Regierung kurzerhand die Studiengebühren massiv angehoben hat und nun befürchtet wird, daß gerade den Armen – die natürlich in der Mehrzahl schwarz sind – der Zutritt zu einer Hochschulausbildung verwehrt bleibt.

Vor allem die massiven gewaltsamen Proteste erwischten  die Regierung offensichtlich kalt. Sie zeigen außerdem, daß es mitnichten nur um das Problem von Studiengebühren geht. 

Im Kern geht es darum, daß Südafrika es immer noch nicht geschafft hat, ein soziales Gleichgewicht zwischen Arm und Reich und zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen herzustellen. Das Land ist im Gegenteil weiter davon entfernt denn je. Und immer mehr Menschen packt eine ohnmächtige Wut, weil sie dabei zuschauen müssen, wie die Regierenden sich ausschließlich damit beschäftigen, sich selbst zu bereichern.