© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Madrid weist Barcelona in die Schranken
Spanien: Nach Vorlage eines Fahrplans zur Abspaltung Kataloniens zeigen sich die Spanier plötzlich geschlossener denn je
Michael Ludwig

Wer noch letzte Zweifel hegte, ob es die Katalanen mit ihrem Drang nach Unabhängigkeit wirklich ernst meinen, wurde eines Besseren belehrt. Die beiden künftigen Regierungsparteien Convergencia Democratica de Catalunya (CDC, bürgerlich-nationalistisch) und die Esquerra Republicana (ERC, linksrepublikanisch) legten einen Resolutionsentwurf vor, der nichts zu wünschen übrigläßt. 

Demnach soll mit der Schaffung eines „unabhängigen Staates in Form einer Republik“ begonnen werden. Das katalanische Parlament sei der „Bewahrer der Souveränität“ und der „Ausdruck der verfassungsgebenden Gewalt“. Die künftige Regierung habe „ausschließlich“ jene Gesetze zu befolgen, die dort beschlossen worden seien. Nun sei der Weg frei, heißt es in der Resolution weiter, mit dem „Prozeß der demokratischen und friedlichen Abspaltung“ vom spanischen Mutterland zu beginnen. Das Verfassungsgericht in Madrid, das eine einseitige Loslösung Kataloniens von Spanien als nicht verfassungsgemäß betrachtet, wird in dieser Frage als „nicht legitimiert“ und „ohne Kompetenz“ bezeichnet.

In den nächsten Tagen soll nun unter Hochdruck mit dem Aufbau eines eigenen katalanischen Sozialsystems und einer eigenen Steuerbehörde begonnen werden. In 18 Monaten soll die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien dann vollendet sein. Einzelne Stellen der Resolution sind härter und kompromißloser ausgefallen, als die künftige Regierung dies wollte. Sie sah sich jedoch zu diesem Schritt gezwungen, um die Unterstützung der linksradikal-anarchistischen Candidatura d’Unitat Popular (CUP) zu bekommen, die bei den Regionalwahlen am 27. September dieses Jahres zehn Mandate errang. CDC und ERC brauchen diese, um die absolute Mehrheit zu erreichen und somit den neuen Regierungschef stellen zu können.

In Madrid schlugen einmal mehr sämtliche Alarmsysteme an. In einer ersten Stellungnahme nannte der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) den katalanischen Schritt den „bislang schwersten Angriff auf die Verfassung“ des Landes. Es gelang ihm, die beiden anderen großen Parteien, die sozialdemokratische PSOE und die bürgerliche Ciudadanos, in eine gemeinsame Front einzubinden mit dem Ziel, Barcelona in die Schranken zu weisen. Die linke Podemos-Bewegung, die im Sommer für viel Aufsehen sorgte, inzwischen aber von den Wählern rigoros zurechtgestutzt wurde, verweigerte sich. Sie sprach von „Bunkermentalität“ der großen Parteien  und lehnte die „antisezessionistische Front der großen Koalition“ ab.

Rajoy ist bestrebt, einen noch breiter angelegten nationalen Pakt zu schließen, um gegen „den Bruch und die Abspaltung und für die Einigkeit Spaniens, für den Respekt gegenüber dem Gesetz und der Gleichheit aller Spanier“ zu kämpfen, so die Tageszeitung El Mundo. In den nächsten Tagen sind entsprechende Gespräche mit Vertretern der Arbeitgeber und der Gewerkschaften angesetzt.  

Eine Umfrage jedoch, die dieser Tage von der Tageszeitung El Pais veröffentlicht wurde, läßt in Barcelona die Alarmglocken schrillen. Bei einem erneuten  Referendum über die Unabhängigkeit würden 49 Prozent der Katalanen diese ablehnen, 41 sie unterstützen. Vor den Regionalwahlen am 27. September betrug der Vorsprung der Gegner einer Abspaltung nur einen Prozentpunkt.