© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Der fragwürdige Schattenfinanzindex besitzt wenig Aussagekraft
Steueroase Deutschland
Thomas Kirchner

Alljährlich veröffentlicht das Tax Justice Network (TJN) seinen Schattenfinanzindex. Damit bezeichnet die britische Nichtregierungsorganisation ihr Ranking der angeblich „schlimmsten Steueroasen“. Die Schweiz bleibt demnach der weltweit verschwiegenste Finanzplatz. Es folgen Hongkong, die USA, Singapur und die britischen Kaimaninseln.

Deutschland liegt hinter Luxemburg und Libanon erneut auf Rang acht – allerdings nicht etwa, weil viele Diktatoren hierzulande tatsächlich das geklaute Vermögen ihrer Untertanen bunkerten. Auch die gelegentlich wegen Geldwäsche sichergestellten Beträge reichen in den seltensten Fällen für einen Ferrari. Deutschland bekommt so eine hohe Gewichtung im TJN-Index, weil es eine große Volkswirtschaft ist und weil Datenschutz hierzulande einen vergleichsweise hohen Stellenwert einnimmt. Das paßt den Blockwarten der „Steuergerechtigkeit“ nicht, sie wollen, wie in Finnland, Schweden oder teilweise in den USA (Property Taxes) praktiziert – möglichst viele finanzielle Informationen über jeden öffentlich zugänglich sehen.

Der TJN-Index hat daher kaum Aussagekraft. Nachdem ausländische Steuerbehörden unverfroren Datenhehlerei gegen Schweizer Banken betrieben und sogar mit der „Kavallerie“ drohten, wird kaum jemand dort unversteuertes oder gar geklautes Geld bunkern. In Luxemburg betreibt die Deka, das „Wertpapierhaus der Sparkassen“, ihre Fondsverwaltung für deutsche Kleinsparer. Deren Steuertransparenz ist sicher gewährleistet.

Die wirklich undurchdringlichen Steueroasen tauchen erst weit unten auf, weil es sich um gering gewichtete Kleinststaaten handelt. Panama, wo Südamerikaner ihre Ersparnisse vor chavistischen Linkspopulisten oder salvadorianischen Banden in Sicherheit bringen, liegt immerhin auf Platz 13. Der wirklich streng verschwiegene und bis 1983 britische Inselstaat St. Kitts und Nevis landet nur auf Platz 69, das 202-Hektar-Nullsteuerparadies Monaco schafft es gar nur auf Rang 76.

Das Problem aller Indizes ist der Versuch, komplexe Sachverhalte durch eine einzige Zahl auszudrücken. Die TJN-Studie dient in erster Linie dazu, erfolgreich Schlagzeilen zu generieren. Und das tut sie mit großem Erfolg – ähnlich wie der Versuch, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) durch einen Glücksindex zu ersetzen. Die TJN-Kritik an der Geheimhaltungsoase Deutschland bleibt denn auch recht mager. Die Argumente lauten: Die Gewerbesteuer bringe nur 1,8 Prozent des BIP ein – im Vergleich zu 2,8 Prozent im OECD-Durchschnitt. Ein Gegenargument zeigt die Schwäche dieser Denkweise: Würde man die Steuersätze auf 100 Prozent erhöhen, gingen die Einnahmen gegen Null. Und das TJN würde Deutschland wegen der niedrigen Einnahmen dann auf Platz eins der Steueroasen setzen.

„Financial Secrecy Index 2015“ des TJN: www.financialsecrecyindex.com