© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Die Rechnung muß der Steuerzahler begleichen
Krankenversicherung: Gesetzlich und privat Versicherte müssen sich auf steigende Beiträge einstellen / Gesundheitskarte für Flüchtlinge
Peter Offermann

Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt? Wer hat so viel Pinke-Pinke, wer hat so viel Geld?“ – diese Zeilen des 66 Jahre alten Karnevalschlagers von Jupp Schmitz gelten auch für das deutsche Gesundheitssystem. Die Asylkrise verschärft das Problem, doch das Thema Beitragsentwicklung ist viel komplexer. Hauptpunkt für die Kostensteigerungen bleibt der demographische Wandel.

Immer mehr Versicherte werden immer älter. Dadurch steigt das Risiko, an kostenintensiven Altersleiden zu erkranken. Hinzu kommt die medizinische Forschung, die Entwicklung sowie die Durchführung neuer Behandlungsmethoden. Die Kehrseite ist: Neue Medikamente oder Operationsmethoden, die das Leben des Patienten verlängern, steigern in der Regel zugleich die Kosten der Versichertengemeinschaft.

Demographischer Wandel trifft auch Privatversicherte

Die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), in denen 86 Prozent der Versicherten Mitglied sind, beklagen derzeit ein Defizit von fast einer halben Milliarde Euro. Das überrascht nicht: 2015 sank der allgemeine GKV-Beitrag von 15,5 auf 14,6 Prozent. Die Kassen jedoch können einen Zusatzbeitrag von bis zu 1,3 Prozent des Arbeitseinkommens verlangen. Die Höhe hängt von den Reserven der jeweiligen GKV ab. 2016 sind laut GKV-Verband im Schnitt 0,3 Prozent zu erwarten – für einen deutschen Durchschnittsverdiener wären das acht Euro pro Monat.

Für 2019 werden allerdings zwischen 1,4 und 1,9 Prozent (etwa 50 Euro mehr) prognostiziert. Dies zahlen nur die Versicherten selbst, der Arbeitgeber zahlt weiter nur die Hälfte des Grundbeitrages (7,3 Prozent). Die kommende Belastung könne „von den Arbeitnehmern alleine nicht getragen werden, das ist unverhältnismäßig“, empörte sich SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. Der Gesundheitsexperte fordert, die Arbeitgeber – wie vor 2009 – wieder hälftig in die Pflicht zu nehmen. Doch seine Partei hat diese Reform mitgetragen.

„Besserverdiener“ – laut Sozialversicherungsrecht ab 2016 solche mit mehr als 4.237,50 Euro monatlichem Bruttoeinkommen – können allerdings zur Privaten Krankenversicherung (PKV) wechseln. Dort sind die Beiträge anfangs niedrig und die Leistungen meist besser. Doch der demographische Wandel trifft die PKV gleichermaßen. Beiträge von mehreren hundert bis weit über tausend Euro sind im Rentenalter keine Seltenheit – der GKV-Höchstbeitrag liegt hingegen bei unter 650 Euro. Zudem erhält die GKV einen Bundeszuschuß von 14 Milliarden Euro für „versicherungsfremde Leistungen“ wie Familienversicherung oder Schwangerschaften.

Die Gründe für die PKV-Misere sind vielfältig und nicht nur dem derzeitigen Niedrigzinsumfeld geschuldet. Immer weniger Berechtigte versichern sich privat – auch wenn sie die Voraussetzungen erfüllen. So verlockend der PKV-Schutz auch sein mag, dieser ist längst kein Argument mehr für den Gutverdiener oder Selbständigen, sich aus dem GKV-Schoß hinauszuwagen. Es gibt keine einfache Rückkehrmöglichkeit von der PKV in die GKV, keine beitragsfreie Familienversicherung und keine ermäßigten Beiträge im Alter. Hinzu kommt ein unübersichtlicher PKV-Tarifdschungel. Und durch die Möglichkeit der privaten Zusatzabsicherung in Kombination mit der GKV tun die privaten Krankenversicherer ihr übriges – das Ende der privaten Vollversicherung ist daher absehbar. 

Unklare Abgrenzung des Leistungsumfangs?

Die Flüchtlingskrise sorgt für weitere Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen. Die Zuwanderer sind zwar überwiegend jung und grundsätzlich durch die gleichen Krankheiten gefährdet wie die ansässige Bevölkerung. Doch die Mediziner werden auch mit unvertrauten Infektionen konfrontiert: Malaria, Läuserückfallfieber, Fleckfieber/Flecktyphus, Typhus, Amöbenleberabszeß, Viszerale Leishmaniose, Lassafieber, Krim-Kongo-Fieber oder Leptospirose nennt das Robert-Koch-Institut in seinem Epidemiologischen Bulletin (38/15). Da die Asylsuchenden weder GKV- noch PKV-Mitglieder sind, werden die Versicherten zunächst nicht direkt, sondern nur als Steuerzahler belastet.

Durch die jüngsten Asylrechtsänderungen wird jedoch die Einführung einer „Gesundheitskarte“ ermöglicht. Mit dieser dürfen die Zuwanderer in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts theoretisch nur in „dringenden Fällen“ zum Arzt. Doch wie läßt sich das wirksam kontrollieren? Die nicht gewährleistete Abgrenzung des Leistungsumfangs könnte den Steuerzahler noch teurer kommen als angenommen.

Bislang brauchten Asylbewerber einen Behandlungsschein von Stadt- oder Landkreis. Die Kommunen werden von Bürokratie entlastet – der Arzt erfährt aber nichts über die Einschränkungen. Dafür, daß die Karte den Asylbewerberstatus preisgibt, müssen erst die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Die Umsetzung hat der Bund jedoch bis Ende 2016 ausgesetzt – und auf Länder und GKV abgewälzt. Wie die Erkennbarkeit des Flüchtlingsstatus datenschutzrechtlich umgesetzt wird, ist unklar. Auch die Speicherung des Leistungskatalogs auf der Karte ist problematisch. Der Prüfungsaufwand, ob Leistungen für Asylbewerber zulässig sind, wird sich auf die Verwaltungskostenpauschalen der Kassen und somit die Versichertengemeinschaft auswirken.

Nach 15 Monaten (bis 1. März waren es noch 48 Monate) erhalten die Asylbewerber Anspruch auf das volle GKV-Programm. Beitragszahler werden sie aber nur, wenn sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) rechnet allerdings schon jetzt mit einer Million zusätzlicher Hartz-IV-Empfänger – für deren Gesundheit letztlich der Steuerzahler aufkommen muß.

Foto: Krankenkassenkarten: Nach 15 Monaten erhalten Asylanten die vollen deutschen Gesundheitsleistungen