© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Die Computerabteilung ist längst Ideengeber
Digitaler Wandel: Eine KPMG-Studie zeigt, daß deutsche Verlage überraschend zukunftsorientiert sind
Christian Schreiber

Als vor knapp zwei Jahrzehnten die digitale Revolution begann, da reagierte die Medienbranche mit einer Mischung aus Neugierde und Abwehr. Es gab Verlage, die stellten ihr komplettes Print-Angebot ins Netz, um es wenig später hinter einer Bezahlschranke wieder  zu verstecken. Und es gab Verlage, die haben Millionen von Euro bei dem Versuch versenkt, ihr Produkt möglichst clever im Netz zu vermarkten. Die Unternehmensberatung KPMG ist nun in einer Studie der Frage nachgegangen, inwieweit Verlage und Agenturen die digitale Revolution angenommen haben und ob sie „fit für das digitale Zeitalter“ sind. 

Ihr Fazit: „Manche Unternehmen sind hier schon weit fortgeschritten, einige stehen erst ganz am Anfang. Manche Unternehmen fokussieren sich auf die Erschließung neuer Kanäle mit klassischen Inhalten, andere Unternehmen setzen auf ganz neue Ansätze“, heißt es in der 32seitigen Untersuchung. 

Grundsätzlich bescheinigt KPMG, das die Studie mit Hilfe von Forschern der Ludwig-Maximilians-Universität in München erstellt hat, den meisten Verlagen und Sendern, die Herausforderungen angenommen zu haben und in digitale Technogien zu investieren: „In Zukunft wird es für Medienunternehmen darum gehen, gezielt weitere digitale und technologische Kompetenzen aufzubauen, um im Wettbewerb zu bestehen“, schreiben die Autoren, legen aber Wert auf die Feststellung, „daß nicht alles unmittelbar dem Gewinn untergeordnet sein darf“. 

Für die Studie wurden 115 Entscheider aus zufällig ausgewählten deutschen Medienunternehmen unterschiedlicher Segmente und Größenklassen um ihre Einschätzung gebeten. Wichtige Erkenntnis: In den vergangenen Jahren habe sich vor allem die Einstellung zur eigenen IT-Abteilung in den Medienhäusern geändert. Seien sie lange Zeit reine Umsetzer von technologischen Prozessen gewesen, so würden sie mehr und mehr auch als Ideengeber fungieren. Rund 70 Prozent der Befragten sind demnach der Meinung, daß die Beherrschung digitaler Technologien von strategischer Bedeutung für ihr Unternehmen ist. Technologische Kompetenz ist demnach auch für die Medienunternehmen eine wichtige Voraussetzung für den künftigen Erfolg. 

Buchverlage mit ganz       anderen Lösungsansätzen

Am Beispiel der Augsburger Allgemeinen erklärt die Studie, wie ein traditionsbewußtes Medienhaus in den vergangenen vier Jahren seine Online-Struktur überarbeitet hat. Der Verlag hat einen guten Überblick über die Struktur seiner Abonnenten. Er kennt seine Kunden. Die Kernleserschaft habe derzeit einen Altersdurchschnitt von 60 Jahren. So weit, so normal.

Da die Zahl der klassischen Zeitungsleser aber stark rückläufig sei, müßten gerade Zeitungsmacher Wege finden, um jüngere Leser zu binden: „Ein zentrales Thema im Zeitungsgeschäft ist die Eins-zu-eins-Kundenbeziehung“, heißt es. Die Augsburger Allgemeine bietet seit einiger  Zeit eine sogenannte Online-Flatrate an, das heißt, der Kunde kann sich seine favorisierten Themengebiete selbst zusammenstellen und selbst über die Verwendung entscheiden.

Deutlich schwerer als bei Zeitungsverlagen sei der Digitalierungsprozeß auf dem Büchermarkt. Zwar gebe es auch steigende Benutzerzahlen bei E-Books, das Konsumverhalten sei dort aber eher noch klassisch. Am Beispiel der zur Bertelsmann-Gruppe gehörenden Verlagsgruppe Random House zeigt die Studie, daß es aber möglich ist, digitale Prozesse erfolgreich zu nutzen. Anstelle klassischer Autorenlesungen seien Online-Lesungen unter Zuhilfenahme von Plattformen wie Facebook oder Youtube geeignet, „dabei die bisherige Ortsbindung vieler Verlagsveranstaltungen mehr und mehr aufzulösen“.

Das iPhone wird das        Autoradio ablösen

Einen großen Teil der Studie nimmt auch die Auseinandersetzung mit dem veränderten Wettbewerb für Radioanstalten ein. Dieser wird konkret anhand des Gegensatzes von Bayerischem Rundfunk und dem Münchner Regionalsender Radio Arabella erörtert. Interessant ist hierbei, daß dort – wie auch im Printbereich – der Trend zur Individualisierung geht. 

Mit Hilfe von Streaming-Diensten und Docking-Stationen sei das iPhone auf dem besten Weg, das Autoradio abzulösen. Nicht mehr lange, und der Besitz einer Frequenz bedeutet keinen Vorteil mehr für die klassischen Anbieter. 

Generell lasse sich feststellen, daß das klassische „Ein Programm für alle“ in allen Medienbereichen mehr und mehr ausgedient habe. Verlage, Agenturen, Radioanstalten und auch TV-Sender müssen die digitale Revolution als Herausforderung annehmen. 

Eine wichtige Rolle spielen dabei „Bindeglieder“ aus dem Social-Media-Bereich wie Facebook. „Die Grenzen zwischen Medien und Technologie verschwimmen. Und dieser Prozeß wird sich fortsetzen“, heißt es als Fazit. 

KPMG-Studie: Medien: Fit für das digitale Zeitalter?  www.kpmg.com