© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/15 / 06. November 2015

Renaissance des Kampfpanzers?
Weiterentwickeln und Herausforderungen angehen: Der Tank bleibt das Rückgrat moderner Landstreitkräfte
Hans Brandlberger

Die bombastische Militärparade, mit der Rußland am 9. Mai die deutsche Kapitulation vor 70 Jahren zelebrierte, war weniger als historische Reminiszenz denn als Signal an den Westen zu verstehen. Tatsächlich löste die Vielzahl neuer Gefechtsfahrzeuge, die über den Roten Platz rollten, Verblüffung aus. Insbesondere dem neuentwickelten Kampfpanzer T-14 Armata aus der weltgrößten Panzerschmiede Uralwagonsawod aus Nischnij Tagil wollten auch westliche Experten ihren Respekt nicht versagen. Er verfügt über eine oberhalb des Turmes befestigte (scheitellafettierte) Hauptwaffe, die aus dem Innenraum der Wanne heraus ferngesteuert wird.

Dieses Konzept des „unbemannten Turms“ gilt bei allen Risiken, die das blinde Vertrauen auf technische Zuverlässigkeit und der Verzicht auf manuellen Notbetrieb bergen, als zukunftsweisend, da die Besatzung bestmöglich geschützt wird. Eventuell können so auch Gewichtssteigerungen, die durch eine immer stärkere Panzerung drohen, abgefedert werden. Bahnbrechende Innovationen, die den Armata als „Wunderpanzer“ erscheinen ließen, waren jedoch nicht auszumachen, und die offiziellen Planungen, bis 2020 etwa 2.300 Fahrzeuge dieses Typs in die Streitkräfte der Russischen Föderation einzuführen, dürfen angesichts seiner hohen Kosten als unrealistisch gelten.

Was in Moskau nun als Prestigeprojekt betrieben wird, sahen die militärischen Planer des Westens in den zurückliegenden 25 Jahren als wehrtechnisches Auslaufmodell an. Kampfpanzer hatten nach ihrer Beurteilung zwar eine Schlüsselrolle im Kalten Krieg, um einer Invasion des Warschauer Paktes in der norddeutschen Tiefebene entgegentreten zu können.

Für jene Szenarien, die nach 1990 mehr und mehr in den Mittelpunkt rückten, waren sie allerdings kaum noch von Nutzen. Stabilisierungsoperationen leichter und mittlerer Intensität erfordern schnell verlegbare Kräfte, die sich oftmals im urbanen Gelände gegen einen überwiegend asymmetrisch kämpfenden Feind durchzusetzen haben. Kampfpanzer hingegen sind in Geländegängigkeit, Schutz und Bewaffnung primär auf Duellsituationen mit gegnerischen Kampfpanzern fernab von Städten optimiert.

Leopard 2 im Vergleich  noch immer modern

Eine Nachfolge für den Leopard 2, der nach dem Scheitern einer deutsch-amerikanischen Gemeinschaftsentwicklung 1970 auf den Weg gebracht und ab 1979 in die Truppe eingeführt wurde, stand daher lange nicht auf der Tagesordnung. Erst vor wenigen Monaten fiel vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges die politische Entscheidung, einen „Leopard 3“ anzustreben, der als deutsch-französisches Gemeinschaftsvorhaben realisiert werden soll. Mit ersten einsatzreifen Fahrzeugen ist nicht vor der Mitte des nächsten Jahrzehnts zu rechnen. 

Dank mehrerer Kampfwertsteigerungen ist der Leopard 2 aber im internationalen Vergleich immer noch auf einem modernen Stand. Die jüngste Version ist der Leopard 2 A7, der unter anderem über eine auf drei alternative Zündungsweisen ausgelegte Zweitmunition, eine neue Energie- und Kampfraumkühlanlage (für den Einsatz in heißen Regionen) und ein integriertes Führungs- und Informationssystem verfügt.

Das von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) entwickelte Konzept eines auch für urbanen Einsatz geeigneten Leopard 2 PSO (Peace Support Operations), der über einen stärken Rundumschutz, ein Räumschild zur Beseitigung von Straßensperren, bessere Aufklärungssensorik sowie eine ferngesteuerte Waffenstation verfügt, scheint derzeit nicht weiterverfolgt zu werden. Auch die vom KMW-Konkurrenten (und Kooperationspartner) Rheinmetall vorgestellte Lösung eines MBT (Main Battle Tank)-Technologieträgers besitzt wenig Aussicht auf Realisierung.

Panzereinsatz in Städten – in Israel ja, in Europa nein

Rheinmetall hat auf diesen Demonstrator auch das aktive Schutzsystem ADS integriert, das heranfliegende Flugkörper in Bruchteilen einer Sekunde detektiert und durch gerichtete Energie ausschaltet. Ein in Grundzügen vergleichbares System, Trophy des Herstellers Rafael, hat sich auf den israelischen Merkava („Streitwagen“)-Kampfpanzern bewährt.

In Europa stößt dieses Konzept aber wegen der im Nahbereich des Panzers unvermeidlichen Kollateralschäden weiterhin auf Skepsis. Ohne ein derartiges Schutzsystem und ohne eine Bewaffnung, die zur Bekämpfung von Gegnern, die aus Hochhäusern herab wirken, sowie Hubschraubern und auch Drohnen geeignet ist, bleiben die Einsatzmöglichkeiten eines Kampfpanzers in Städten, die der bevorzugte Schauplatz zukünftiger Konflikte sein dürften, begrenzt.

Aber auch im klassischen Szenario, in dem mechanisierte Verbände gegeneinander antreten, sind technologische Herausforderungen zu bewältigen. Immer neue, durchschlagskräftigere Arten von Munition und Lenkflugkörpern erfordern eine unablässige Verstärkung des Schutzes, die das Gewicht erhöht und die Beweglichkeit einschränkt. Die derzeit für den Leopard 2 eingesetzte Munition steht im Verdacht, gar nicht mehr gegen Kampfpanzer mit modernem Schutzniveau wirken zu können. Uranmunition, die dieses Problem lösen könnte, dürfte aber zumindest in Deutschland politisch nicht durchsetzbar sein.