© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/15 / 13. November 2015

Mit Dostojewski gegen Draghi
Edelmetallmesse: Euro- und Asylkrise bleiben ungelöst / Kommt 2016 die Preiswende am Goldmarkt? Auszeichnung für Branchenexperten Bruno Bandulet
Christian Dorn

Was auf den ersten Blick auffällt, sind die teils schwindelerregenden High Heels der Besucherinnen und Standdamen. Nicht zufällig, so ist hier auf der alljährlichen Internationalen Edelmetall- und Rohstoffmesse zu vernehmen, gebe es doch den „Hostessen-Index“, dem zufolge die Extravaganz der weiblichen Präsenz für die Attraktivität des Marktes stehe. Freilich ist es vor allem das „Teufelswerk“ der Euro-Rettung durch Mario Draghi, das die zahlreichen Messebesucher in die Räumlichkeiten des MVG Museums München lockt.

Die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) sei Währungssozialismus, der auf „Die große Enteignung“ hinausläuft, wie es der Trendbrief-Chefredakteur Janne Jörg Kipp in seinem jüngsten Buch nennt. Aus Sicht des Volkswirtschaftlers Gerald Mann droht inzwischen eine weitere Gefahr, die um so mehr die Flucht in Edelmetalle rechtfertige. Gemeinsam mit dem Finanzanalysten Ulrich Horstmann veröffentlichte er ein Buch zum drohenden „Bargeldverbot“ (Finanzbuch Verlag), das immer häufiger von Geldpolitikern gefordert wird (JF 34/15). Die Bevölkerung solle damit zum Konsum gezwungen und private Akkumulation von Geld verhindert werden. Außerdem erlaube ein Bargeldverbot eine nahezu perfekte Überwachung. Angesichts dieses Frontalangriffs auf die persönliche Freiheit zitiert Mann Fjodor Dostojewskis Diktum, demzufolge „Geld geprägte Freiheit“ sei. Im Falle einer Bargeldabschaffung werde Edelmetall einen Wertzuwachs erfahren – was staatliche Restriktionen nach sich ziehe.

Das 1933 von US-Präsident Roosevelt erlassene Goldverbot wurde beispielsweise erst 1971 von Nixon aufgehoben. Dennoch, so der einhellige Tenor auf der Messe, sei die Investition in Gold und Silber derzeit lohnend. So liege der aktuelle Preis der Feinunze Gold derzeit etwa 40 Dollar unter den Produktionskosten in den Goldminen. Die Notenbanken drückten den Goldpreis an Terminmärkten – um es selber aufzukaufen. Laut Hans-Jürgen Bocker, einer Branchenlegende, die bei den Messebesuchern Kultstatus genießt, absorbieren allein China und Indien zusammen pro Jahr mehr Gold als die Weltjahresproduktion von 2.100 Tonnen. Hinzu kommen Käufe der Ölstaaten, von Rußland, den westlichen Eliten, privaten Investoren sowie der Zentralbanken. Daher, so Bocker, müßte „nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage der Unzenpreis um wenigstens das Dreifache über dem heutigen Niveau notieren“. Massive Manipulationen des Papiergoldmarktes (Comex) würden derzeit aber die Naturgesetze der Preisbildung außer Kraft setzen.

„Hoffen hat in Politik und Finanzen nichts verloren“

So war es nur folgerichtig, den diesjährigen Preis der Deutschen Edelmetall-Gesellschaft (DEG) an den Publizisten und JF-Autor Bruno Bandulet zu vergeben. Werden damit doch Persönlichkeiten geehrt, die in der Öffentlichkeit engagiert über das Geldwesen und dabei über die traditionelle Rolle von Gold als Zahlungsmittel aufklären. Bandulet gilt als der Pionier der deutschen Goldanleger, als „Grandseigneur der deutschen Edelmetall-Szene“ (Smart Investor). Neben seinem Börsenbrief Gold & Money Intelligence und seinem seit 1995 publizierten Deutschland-Brief veröffentlichte er drei Bücher über Gold, die heute – so der Laudator und n-tv-Börsenexperte Frank Meyer – Standardwerke seien. Der Geehrte widmete den Preis „mindestens zur Hälfte meinen langjährigen Lesern“. Überhaupt sei beim Gold der Glaube gefragt, denn „das Hoffen hat in Politik und Finanzen nichts verloren“. 2016 werde die Preiswende kommen.

Der Rohstoffexperte Jürgen Müller, Geschäftsführer der Sachwerte GmbH, erläuterte dem Messepublikum die bewährte „Drei-Speichen-Regel“ – die Diversifizierung des Sparkapitals in Wertpapiere (Aktien), Edelmetalle (Gold, Silber und technische beziehungsweise strategische Metalle) und Immobilien (Grund & Boden). Auch wenn diese drei Bereiche nicht in direkter Korrelation stünden, führe der untere Stand einer Speiche – versinnbildlicht in der Darstellung eines Rades – in der Regel zur Höherbewertung der anderen beiden. Auch Müller sieht wie Bocker Silber extrem unterbewertet: Stand früher der Richtwert zum Gold im Verhältnis 15 zu 1, seien es heute knapp 70 zu 1. Doch anders als Gold, das in der Industrie nur zu 13 Prozent nachgefragt werde, werde Silber zu etwa 50 Prozent von der Industrie konsumiert, sei aber bislang kaum recyclebar. Von steigendem Interesse sind auch strategische Metalle, nicht zu verwechseln mit den Seltenen Erden, deren Wert rapide gesunken sei. Besonderes Potential habe Indium, das im IT-Bereich unverzichtbat sei.

Auch der Währungsexperte und SPD-Politiker Wilhelm Nölling wagte einen Blick in die Zukunft: Das Euro-Problem und das Flüchtlingselend werde von der politischen Klasse nicht mehr gelöst werden. Mit Hans Sachs sah er „Wahn! Wahn – überall Wahn.“ Deutschland steuere auf den Tag zu, an dem es den „Offenbarungseid leistet“. Nölling resümierte mit Goethe: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.“

Internationale Edelmetall- & Rohstoffmesse:  www.edelmetallmesse.com

Fachinformationen von Prof. Dr. H.-J. Bocker: www.profbocker.ch