© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/15 / 13. November 2015

Frisch gepresst

Carl Schmitt. Im Frühjahr 1947, nach der Entlassung aus der Nürnberger Zeugenhaft, kehrte Carl Schmitt in seinen Geburtsort Plettenberg zurück, wo er bis zu seinem Tod 1985 ein unauffälliges Ruheständlerleben führte. Im Gegensatz zu anderen Professoren, die wegen ähnlich belastender „NS-Verstrickung“ nach 1945 mitunter ihr Leben, regelmäßig aber ihr Amt verloren, versank CS keineswegs in jene „Sicherheit des Schweigens“, die seine Privatmythologie suggerierte. Dank eines dichten Netzwerkes von Gönnern und Bewunderern, dank der Neuauflagen seiner Werke und deren anschwellender internationaler Rezeption, blieb er im Gespräch. Nur das biedere Establishment der Bundesrepublik reduzierte ihn störrisch auf die Funktion eines „Kronjuristen“ Hitlers. Insoweit tatsächlich Außenseiter, kommentierte CS zwischen 1947 und 1958 in einem Gedankentagebuch, dem von Gerd Giesler und Martin Tielke erstmals in der Qualität einer historisch-kritischen Ausgabe edierten „Glossarium“, den Zeitgeist des Bonner Teilstaates. Kostprobe, Weihnachten 1948: „Wer den Lackstiefel leckt, fühlt sich dem Filzstiefellecker zivilisatorisch überlegen. (…) Das Ganze nennt sich schamlos Befreiung.“  Nicht überraschend, daß nach dem 11. September 2001 Henning Ritter den ewig aktuellen Klassiker sofort zum Analytiker der Stunde ausrief. Erst recht heute, angesichts der Kriegserklärung der auf Umvolkung erpichten Herrschenden an den Souverän des Grundgesetzes, unterstreicht die Glossarium-Edition eine als Werbespruch für „Klosterfrau Melissengeist“ etwas verschenkte Weisheit: „Nie war er so wertvoll wie heute.“ (dg)

Gerd Giesler, Martin Tielke (Hrsg.): Carl Schmitt. Glossarium. Aufzeichnungen aus den Jahren 1947 bis 1958. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2015, gebunden, 557 Seiten, 69,90 Euro





Stalingrad. Es sind die letzten Zeitzeugen der blutigsten Episode des Zweiten Weltkriegs: 93 Jahre ist der jüngste, 97 Jahre der älteste noch lebende deutsche Stalingradkämpfer alt. Major a.D. Helmut Ziegner hatte 2012 zum siebzigsten Jahrestag der Schlacht an der Wolga den Kämpfern eine Dokumentation gewidmet (JF 47/12). Nun hat er in seinem Ergänzungsband jüngste Neuigkeiten aus dem kleiner werdenden Veteranenkreis zusammengetragen. Das Vermächtnis der alten Soldaten in ihren Wortmeldungen ist ebenso einfach wie signifikant: „Nie wieder!“ (bä)

Helmut Ziegner: Stalingrad. Ergänzungsdokumentation zum Bildband 70 Jahre danach. HW-Verlag, Neubrandenburg 2015, broschiert, 143 Seiten, Abbildungen, 18,20 Euro