© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/15 / 20. November 2015

Wie der Vater, so der Sohn
Krisenfest und regional verwurzelt: Familienbetriebe erwirtschaften fast die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts
Bente Holling

Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, ist besonders schwer, wenn die Familie der Beruf ist. Dieser Spagat fällt vielen Unternehmerfamilien schwer, beispielsweise solchen aus der Binnenschiffahrt. Viele deutsche Binnenschiffe sind von Ehepaaren besetzt, was nicht eben wenig mit den Lohnkosten zu tun hat. Die Kinder sind während der Schulzeit im Internat oder bei den Großeltern und fahren nur während der Ferien mit. In den Niederlanden bezahlt der Staat eigene Kinderheime für Schifferfamilien; davon können deutsche Marktteilnehmer nur träumen. Das Schifferehepaar Monika und Dieter Last aus Winsen hat sich deshalb einen Nebenverdienst geschaffen: In der leeren Matrosenkabine nehmen sie Urlaubspassagiere auf ihren Frachtfahrten mit. Die zahlenden Bordgäste können Deutschland aus der Wasserstraßen-Perspektive kennenlernen. Das Angebot ist ständig ausgebucht.

Weniger Verschuldung,   größeres Vertrauen

Ganz anders bei diesem Beispiel: Daniela Sch. arbeitete früher nebenher als Steuerfachangestellte, während ihr Mann den eigenen Lackierbetrieb bei Würzburg führt. Als sein Karosseriemeister in Rente ging, stand der Firmenchef alleine da. Seine Frau sagte kurzerhand: „Das kann ich doch auch machen!“ Gesagt, getan. Die dreifache Mutter kündigte ihre Stelle im Steuerbüro und absolvierte auf dem zweiten Bildungsweg eine Ausbildung zur Fahrzeuglackiermeisterin. Der Skepsis der jüngeren Kollegen zum Trotz schloß sie die Meisterprüfung auch noch als beste Kursteilnehmerin ab. Seitdem arbeitet sie an der Seite ihres Mannes als Werkstattleiterin im Familienbetrieb. Mit unkonventionellen Motivationsmethoden schaffte sie es sogar in die Medien: Azubis, die ihre Gesellenprüfung mit einem Notendurchschnitt von mindestens 1,5 schaffen, dürfen ein Jahr lang auf Firmenkosten einen BMW leasen!

Vielleicht liegt es an solchen Einfällen, daß Familienunternehmen zwar als renditeschwach gelten, aber Krisen wesentlich robuster überstehen als Kapitalgesellschaften. Zudem sind Familienbetriebe durchschnittlich weit weniger verschuldet als andere. Vor allem aber fand das Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) heraus: Familiengeführte Firmen „teilen oft das Wertesystem ihrer lokalen Kunden und Lieferanten“. Heißt, sie sind authentisch in der Region verwurzelt und streben nach gegenseitiger Zufriedenheit statt Profitmaximierung für anonyme Anleger. Und: Konsumenten vertrauen ihnen mehr. Die zu Monatsbeginn veröffentlichte Studie „Deutschlands nächste Unternehmergeneration“ des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen förderte zutage, daß die absolute Mehrheit den Status des Familienbetriebs ganz klar als Wettbewerbsvorteil sieht und ihn in der Außendarstellung stärker noch als bisher herauskehren will.

Schier unglaubliche 95 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Familienbetriebe. Das sind drei Millionen Unternehmen. Zusammen erwirtschaften sie 40 Prozent des Gesamtumsatzes und stellen 60 Prozent aller Arbeitsplätze. Das fand das Bonner Institut für Mittelstandsforschung heraus. Und da sage noch jemand, die Familie habe als Modell ausgedient.

Aber nicht nur in Deutschland ist das so, sondern im ganzen EU-Raum: Familienbetriebe tragen überall zu oft mehr als der Hälfte des Bruttoinlandsproduktes und der Beschäftigung bei. Mit „Familienbetrieb“ sind keine Dynastien wie die Reiche der Albrecht- oder Dassler-Brüder (Aldi, Adidas) gemeint, sondern kleine und mittelständische Firmen (KMU), die fest in ihrer Region verankert sind und meist seit mehreren Generationen in Familienhand liegen. Ein besonders beeindruckendes Beispiel dafür gibt wohl der Landwirtschaftsbetrieb Poßberg in Ratingen bei Düsseldorf ab, der sich seit dem Jahr 910 im Besitz der Familie befindet.

Familienunternehmen finden sich in allen Branchen, besonders zahlreich jedoch in der Gastronomie, im Baugewerbe und Handwerk sowie im Einzelhandel. Auch unter hochspezialisierten Zulieferbetrieben in den Bereichen Mechatronik, Metallzerspanung oder Roboterschweißen sind viele familiengeführte KMU. Am häufigsten kommen Familienbetriebe in den Flächenländern vor – besonders in Sachsen und Thüringen – , am niedrigsten ist ihr Wirtschaftsanteil in den Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin.

Das größte Problem für Familienunternehmen ist die Nachfolge: Wollen die Kinder die Firma nicht weiterführen oder sind keine vorhanden, wird der Betrieb verkauft oder geschlossen. Zudem kommt es manchmal zu Spannungen zwischen der Gründergeneration und den Erben über unterschiedliche Vorstellungen erfolgreicher Unternehmensführung.

Erzwingen läßt sich nichts: „Es ist falsch, gegenüber den Kindern Erwartungsdruck aufzubauen“, weiß der Juniorchef eines Schuh-Großhandels aus Norddeutschland aus eigener Erfahrung. „Ich wollte nach der Schule auf keinen Fall den elterlichen Betrieb übernehmen. Meine Eltern haben mich machen lassen. Erst als ich schon über dreißig war, erwachte in mir das Interesse, und ich entschloß mich freiwillig für die Nachfolge.“

Das WIFU-Institut kümmert sich um alle speziellen Belange von Familienunternehmen – auch um das Problem der Nachfolge: Die Macher bieten auch einen Online-Heiratsmarkt für Familienbetriebe an.

Foto: Juniorchefin Nicole Stocker (l.) führt gemeinsam mit ihren Eltern, den Seniorchefs Siegfried und Margaretha Stocker, den familieneigenen Bäckereibetrieb „Hofpfisterei“ in München: Seit drei Generationen im Familienbesitz