Es war eine Nachricht, daß Matthias Matussek am vergangenen Samstag bei der Verleihung des Gerhard- Löwenthal-Preises sprach. Der langjährige Spiegel-Journalist und Bestsellerautor („Die Deutschen. Warum die anderen uns gern haben können“) hatte schon vor Wochen zugesagt, die Laudatio auf Heimo Schwilk zu halten, der den Ehrenpreis für sein publizistisches Lebenswerk erhielt (ausführlicher Bericht auf den Seiten 4-5).
Schwilk, einst Reporter beim Rheinischen Merkur, dann lange Jahre leitender Redakteur der Welt am Sonntag, wurde zuletzt über seine Zeitungsbeiträge hinaus bekannt durch Biographien, darunter über Ernst Jünger, Hermann Hesse, Rainer Maria Rilke. Herausragend war die von ihm 1994 mit dem Sammelband „Die selbstbewußte Nation“ an Botho Strauß’ Spiegel-Essay „Anschwellender Bocksgesang“ anknüpfende Feuilletondebatte. Sie provozierte hektische Reaktionen wegen der Tatsache, daß es neben Links- auch Rechtsintellektuelle gibt, die schreiben können und dürfen.
Der Auftritt Matusseks beim Löwenthal-Preis fand deshalb besondere Aufmerksamkeit, weil er fünf Tage zuvor mit einem Knall von seiner Chefredaktion vor die Tür gesetzt worden war. Die einst von Axel Springer aufgebaute Welt kämpft seit Jahren mit rapidem Auflagen- und Bedeutungsverlust. Der Verlag, der sich 2013 von allen Zeitungen bis auf die Bild- und Welt-Gruppe trennte und damit fast gänzlich aus dem klassischen Print-Journalismus aussteigt, kaufte ohne ernste Ambitionen Kolumnisten und Autoren zusammen, um den unvermeidlichen „Content“ für den verbleibenden Freiraum um die Anzeigen zu „generieren“.
Doch der Mut zur Presse- und Meinungsfreiheit verläßt den Springer-Verlag regelmäßig dann, wenn es zu politisch wird. 2014 feuerte Bild Nicolaus Fest als stellvertretenden Chefredakteur wegen eines islamkritischen Kommentars. Und jetzt kostete es Matussek den Kopf, weil er erklärt hatte, der Terror von Paris werde „Debatten über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter junger islamischer Männer im Lande in eine ganz neue frische Richtung bewegen“.
Ernst Jünger schrieb einmal: „Nach dem Erdbeben schlägt man auf die Seismographen ein. Man kann jedoch die Barometer nicht für die Taifune büßen lassen, falls man nicht zu den Primitiven zählen will.“ Zu diesen unbequemen Seismographen zählen oft genug jene Journalisten, denen wir den Gerhard-Löwenthal-Preis gewidmet haben. Löwenthal selbst mußte erleben, wie sein ZDF-Magazin 1988 eingestellt wurde, weil es zu unbequem über Mißstände in der DDR berichtete. Martin Voigt, der den diesjährigen Journalistenpreis erhielt, ist in seine Fußstapfen getreten. Er legte in seinen brillanten Recherchen die Ursachen für den Gender-Tsunami frei, der unsere Gesellschaft bedroht.