© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/15 / 27. November 2015

„Es werden bewußt Dinge weggelassen“
Asylkrise: Ein Zeitungsbericht legt den Verdacht nahe, daß Behörden Berichte über Straftaten von Flüchtlingen unterdrücken
Felix Krautkrämer

Wird die Zahl der von Asylbewerbern begangenen Straftaten von der Polizei geschönt? Zu diesem Schluß kommt ein Artikel, der in der vergangenen Woche in mehreren Regionalzeitungen der Madsack-Mediengruppe erschienen ist.

„Es wird nicht gelogen, nichts vertuscht, aber es werden ganz bewußt Dinge weggelassen. Das ist das Problem“, beklagt darin ein Kriminalbeamter. Für das Verfassen der Polizeiberichte gebe es die Anweisung, „unseren Interpretationsspielraum so zu nutzen, damit der zivile Frieden gewahrt bleibt“. Hierfür würden Fälle wie blutige Schlägereien heruntergespielt und verharmlost. Zu viele schlechte Nachrichten aus den Asylunterkünften könnten dazu führen, daß die Stimmung kippe und „rechten Schreihälsen“ in die Karten spielen, befürchten die Beamten.

Die Anweisung gelte auch für die Erstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik. Im Bundesinnenministerium werde die Ansicht vertreten, der Bevölkerung könne die Erkenntnis nicht zugemutet werden, daß die Statistik eine Häufung sexueller Gewalt und schwerer Körperverletzungen in und um Flüchtlingszentren bestätige. Deswegen würden „Statistikfilter ein wenig anders gesetzt“, einige Zahlen würden verspätet geliefert, und es würde „kaschiert, weggedrückt und umbenannt“.

Das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern teilte als Reaktion auf den Zeitungsartikel mit, die Landespolizei bearbeite und erfasse alle Straftaten gleichermaßen. „Ein Teil der Straftaten im Zusammenhang mit der seit September angestiegenen Zuwanderung“ könne in der Statistik aber noch gar nicht enthalten sein. „Auch ohne belastbares statistisches Material ist jedoch zu erwarten, daß es zukünftig einen Anstieg von Straftaten geben wird.“

In den vergangenen Monaten seien weit über 10.000 Menschen nach Mecklenburg-Vorpommern eingewandert. „Zu erwarten, daß gerade diese Menschen keine Straftaten begehen werden, ist wirklichkeitsfremd.“ Vielmehr bestehe für Menschen, „die gesellschaftlich hier nicht verwurzelt sind, aus unterschiedlichsten Ländern und Kulturen kommen und teilweise traumatisiert sind, gerade ein spezifisches Risiko der Straffälligkeit“. 

Zuvor hatte das Bundesinnenministerium die Ergebnisse einer ersten vorläufigen Lageübersicht des Bundeskriminalamtes  zum Thema „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ veröffentlicht. Demnach seien Asylbewerber nicht krimineller als Deutsche. „Insgesamt zeigen uns die derzeit verfügbaren Tendenzaussagen, daß Flüchtlinge im Durchschnitt genauso wenig oder oft straffällig werden wie Vergleichsgruppen der hiesigen Bevölkerung“, kommentierte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) die Lageübersicht. Tatverdächtige aus Serbien, den Kosovo und Mazedonien seien überrepräsentiert, Verdächtige aus Syrien und Irak dagegen unterrepräsentiert.