Alles, was in Afrikas Politik Rang und Namen hat, kam in Luanda zusammen. Die Staatsoberhäupter von Mosambik und dem Kongo fehlen diese Woche ebensowenig auf dem diplomatischen Parkett der angolanischen Hauptstadt wie Modibo Keïta, der neue Premier des Mali, sowie die Premiers von Ghana, Guinea-Bissau und den Kapverden. Natürlich ist auch Jacob Zuma angereist, der nunmehr vierte schwarze Präsident der Südafrikanischen Republik, dessen Land sich nach dem Ende der Apartheid zum engsten Verbündeten Angolas auf dem Kontinent gewandelt hat. Mit der zahlenmäßig größten Delegation wartete allerdings der entfernt gelegene karibische Inselstaat Kuba auf, dessen Staatsratsvize gleich mit einem Dutzend begleitender Minister und Generäle auf dem Internationalen Flughafen Luandas mit allen Ehren empfangen wurde. Denn am 11. November feierte das „afrikanische Eldorado“ seine vierzigjährige Unabhängigkeit von Portugal.
Insbesondere Luanda ist seit der Ära der portugiesischen Herrschaft kaum noch wiederzuerkennen. Eine Skyline an Wolkenkratzern verdrängt die nur noch wenigen im Kolonialstil errichteten Häuser aus dem Stadtbild. Fast sieben Millionen Einwohner, darunter über 200.000 ausgewanderte Portugiesen, nennen die einst beschauliche angolanische Hauptstadt derzeit ihr Zuhause; mit der angrenzenden Peripherie des „Greater Luanda“ sind es sogar über zehn Millionen. Damit sprechen mehr Menschen allein in Luanda Portugiesisch als in Portugal.
Autokratische Herrschaft fordert viele Opfer
Doch trotz allem waren keine hochrangigen Vertreter des einstigen Mutterlands bei den Feierlichkeiten zu sehen: Die ehedem guten Beziehungen Lissabons zu Luanda gelten seit Oktober 2013 als gestört. Ein handfester Eklat um Korruption und verschwundene Fördergelder, in dessen Verlauf am Ende gar portugiesische Staatsanwälte gegen die Führungsriege der südwestafrikanischen Nation zu ermitteln begannen, drohte zu eskalieren und konnte erst im Januar dieses Jahres stillschweigend beigelegt werden. Dennoch herrscht, nach vierzig Jahren stürmischer Aussöhnung, erneut Funkstille zwischen beiden Ländern.
So wie schon 1961, als der Krieg in Angola ausbrach und die Baixa, die Altstadt Luandas, noch gerade einmal rund zweihunderttausend Einwohner zählte. Das vorangegangene Jahr war als „Afrika-Jahr“ in die Geschichtsbücher eingegangen. Achtzehn afrikanische Kolonien hatten 1960 die Unabhängigkeit von ihren Mutterländern erlangt; siebzehn neue Nationen entstanden auf dem Terrain des Schwarzen Kontinents.
Unter Führung des sozialistisch-marxistischen People’s Movement for the Liberation of Angola (MPLA) wagten die Baumwollbauern des Malanje-Distrikts am 3. Januar 1961 einen landesweit organisierten zivilen Ungehorsam: Tausende Angolaner verbrannten ihre Personalausweise, blockierten Straßen und Bürogebäude und lieferten sich Handgreiflichkeiten mit Vorgesetzten wie Sicherheitskräften. Die portugiesische Regierung unter dem autoritär regierenden António de Oliveira Salazar ließ am Folgetag das Militär rund zwanzig umliegende Dörfer der Provinz aus der Luft bombardieren. Napalmbomben töteten binnen weniger Stunden offiziellen Schätzungen zufolge bis zu 7.000 Zivilisten.
Der darauf folgende Kolonialkrieg in Angola kostete rund 100.000 Afrikaner, hingegen nur 3.000 portugiesische Soldaten das Leben. Die Asymmetrie der Kämpfe zwang die Rebellen, sich immer tiefer in die schier endlosen, undurchdringlichen Wälder des Landes zurückzuziehen.
Eine Taktik mit gravierenden Auswirkungen auf die Verlustzahlen: Nur knapp die Hälfte der gefallenen Portugiesen starb infolge von Kampfhandlungen. Der große Rest starb an Malaria, Gelbfieber und anderen tropischen Krankheiten.
Beinahe schienen die Gefechte dadurch in einer Pattsituation zu enden. Erst die Nelkenrevolution von 1974 sowie der Sturz Salazars beendeten das blutige Spektakel, führten jedoch zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den Großmächten des Kalten Kriegs auf angolanischem Boden, welcher erneut eine halbe Million Menschen das Leben kostete. Doch immerhin gelang es Angola, am 11. November 1975 seine Unabhängigkeit zu erklären, punktgenau 400 Jahre nach der Gründung Luandas durch portugiesische Siedler.
Seit dem Ende des Bürgerkriegs im Jahre 2002 konnte Angola ein beachtliches Wirtschaftswachstum von jährlich bis zu 25 Prozent vorweisen. Auch das verzeichnete Bruttoinlandsprodukt wuchs rasant von rund 15 Milliarden US-Dollar (2002) auf über 142 Milliarden US-Dollar (2015) an. Die gewaltigen Ölreserven des Landes, des zweitgrößten afrikanischen Ölexporteurs, haben Landwirtschaft und Diamantenabbau als bestimmenden Faktor in Wirtschaft und Politik abgelöst.
Die Öleinnahmen sowie unzählige Billigkredite aus China, dem mittlerweile wichtigsten Partner Angolas im Außenhandel, überschwemmten das land seitdem förmlich mit Kapital. Rund 15 Prozent seines Rohölbedarfs deckt die Volksrepublik mittlerweile allein aus angolanischen Förderquellen. Die kommunistische Führung in Peking revanchiert sich für diese mit der Finanzierung nicht immer ganz lupenreiner Großbaustellen: des neuen Flughafens in Luanda beispielsweise, dessen geplante Fertigstellung nun schon seit über zehn Jahren verschoben wird. Auch Straßen- und Eisenbahnprojekte sowie der künftige Regierungspalast José Eduardo dos Santos’ – eine Miniaturversion des Washingtoner Kapitols – fallen darunter.
Gerade abseits der glitzernden Fassaden Luandas verpuffen die Privilegien von Fortschritt und wachsendem Wohlstand unter einer grassierenden Korruption sowie der autokratischen Herrschaft des seit 1979 regierenden Präsidenten dos Santos. Erst im April erschütterten Berichte über die Ermordung von rund tausend oppositionellen Anhängern der Siebenten-Tags-Adventisten auf dem Mount Sumi durch Regierungstruppen das Land. Immer öfter werden politische Aktivisten unter fadenscheinigen Anschuldigungen von den Sicherheitskräften verschleppt.
Denn auch im vierzigsten Jahr der Unabhängigkeit ist dos Santos nichts an einer Aussöhnung mit dem politischen Gegner oder gar einer Teilung seiner Macht gelegen. Gegenteilig kündigte der angolanische Präsident kürzlich erst an, auch zur Parlamentswahl von 2017 wieder antreten zu wollen. Als einziger Spitzenkandidat der allein regierenden Staatspartei, der sozialistischen MPLA.