© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/15 / 27. November 2015

Werwölfe im Dienst der Volksgemeinschaft: Liquidation potentieller Gegeneliten
Endsiegpläne nach der Kapitulation
(ob)

Die „Werwölfe“, Aktivisten aus den Reihen der „Alten Kämpfer“ der NSDAP, töteten in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges geschätzte 100 bis 1.000 Landsleute, die im Verdacht standen, den „Endsieg“ zu sabotieren. Die etablierte Geschichtsschreibung sieht in dieser „NS-Guerilla“ irrational handelnde Desperados und wahnhaft verblendete Fanatiker am Werk, die mit ihrem Terror versuchten, die Herrschaft Adolf Hitlers wenigstens um Tage zu verlängern. Für den Zeithistoriker Patrick Wagner (Uni Halle) ist dieses Phänomen indes „ohne jede Pathologisierung“ verständlich (Mittelweg 36, 4/2015). Denn seit dem Spätsommer 1944 begannen überzeugte Nationalsozialisten sich als Minderheit innerhalb der kriegsmüden, wenngleich von starker Bindungskraft zusammengehaltenen „Volksgemeinschaft“ wahrzunehmen. Um diese „Geschlossenheit unserer Volksgemeinschaft“, die auch Großadmiral Karl Dönitz am 9. Mai 1945 beschwor, über die absehbare Niederlage hinweg unter alliierter Besatzung zu bewahren, galt es, potentielle, zur „Kollaboration“ mit dem Feind bereite Gegeneliten zu liquidieren. Denn mit Blick auf ihre Erfahrungen nach 1918 glaubte die „charismatische Gemeinschaft“ der ältesten Parteigenossen an die Wiederkehr einer neuen „Nachkriegs- und ‘Kampfzeit’“, die mit dem abermaligen Sieg des Radikalnationalismus enden würde. 


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