© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/15 / 04. Dezember 2015

EGMR: Deutschland schränkt Meinungsfreiheit ein
Unrecht Unrecht nennen
Martin Lohmann

Es stört, wenn man Unrecht Unrecht nennt. Wer Abtreibung Abtreibung nennt und darauf hinweist, daß da ein Mensch getötet wird, muß mit Verfolgung und Beschimpfung rechnen. Deutsche Gerichte verhängen hier gerne mal Redeverbote. Perverse Wirklichkeit: Es ist offenbar schlimmer, einen Töter Töter zu nennen – als zu töten. 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) tat jetzt etwas, das sich deutsche Gerichte – warum eigentlich? – wohl nicht mehr trauen: Er stärkte das Recht auf Meinungsfreiheit. Die Botschaft an unsere Justiz lautet unmißverständlich: Setzen, sechs! Die hatte es nämlich – bis hin zum BGH – dem Lebensrechtler Günter Annen untersagt, Unrecht als Unrecht zu bezeichnen und die Namen der Täter zu nennen. Nach wie vor ist Abtreibung Unrecht. Mehr als 100.000mal pro Jahr allein in Deutschland. Doch das wissen viele nicht, weil es ihnen – Stichwort: Straffreiheit – auch nicht mehr gesagt wird. Gut, daß der EGMR ausgerechnet uns Deutsche daran erinnert, daß Meinungsfreiheit zum Kern der Freiheit und der Demokratie gehört. Wer die Meinungsfreiheit bekämpft, zerstört die Freiheit. Eine Leitkultur des Todes tötet. Die Leitkultur des Lebens aber schafft Freiheit und Leben.






Martin Lohmann ist katholischer Publizist und Vorsitzender des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL).