© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/15 / 04. Dezember 2015

Leserbriefe

Zu: „Brüssel als Beispiel“ von Michael Paulwitz, JF 49/15

Tabuisierte Fragen

Die Reaktionen der politisch Handelnden erinnern mich an ein Bonmot von Mark Twain: „Als die Wanderer bemerkten, daß sie in die Irre liefen, liefen sie immer schneller.“ Nach den Ereignissen in Paris und Hannover stellen sich auch mir Fragen, auf die es in den gleichgeschalteten Medien keine Antwort gibt. Wer zum Beispiel hat Frau Merkel ermächtigt, EU-Recht (Dublin III) zu brechen? Warum fordert sie die Solidarität der EU-Staaten ein, nachdem sie die Balkanländer ohne Absprachen mit Flüchtlingen geflutet hat? Wieso sollen wir die Flüchtlingsproblematik nicht mit dem IS-Terror in Verbindung bringen? Es ist doch bekannt, daß in Paris getötete Terroristen über die Balkanroute nach Deutschland und Frankreich gereist sind. Begreift Merkel nicht, daß die Quartiermacher des IS oft Staatsbürger von EU-Ländern sind und daß in Europa Kuriere des IS die konspirativen Wohnungen mit Waffen, Sprengstoff und Munition versorgen und sich innerhalb der EU bewegen, wie ein x-beliebiger Paketdienst? Wer Grenzen abbaut und gleichzeitig das Sicherheitspersonal verringert, gefährdet im höchsten Grade die Souveränität der EU-Staaten. So ist der IS inzwischen in Europa am sichersten untergebracht. Und wer kauft schließlich das Öl des IS, das offenbar in großen Tankzügen in die Türkei gelangt? Fragen über Fragen, die offenbar einem Tabu unterliegen!

Günther Tschernko, Dresden




Den Terror beim Namen genannt

Die JUNGE FREIHEIT ist das erste Medium, welches das Kunstwort „islamistisch“ nicht mehr benutzt und den Terror islamisch nennt. Dafür herzlichen Dank!

Dr. Hartmut Heinlein, Eschershausen




Vorbild Zweiter Weltkrieg

Der Kampf gegen den IS-Terror ist ein Krieg an mehreren Fronten. Zuerst ist ein militärisches Eingreifen erforderlich. Der Westen muß nun die Geister bekämpfen, die er selbst gerufen hat. Der Bruch mit Saddam Hussein und dessen Sturz begünstigten das Erstarken des IS während der Bürgerkriegswirren der Nach-Hussein-Ära im Irak. So konnte der selbsternannte Islamische Staat zu einer dominanten regionalen Macht werden. Auf Grundlage der Erfahrungen, daß Alliierte von heute Gegner von morgen sein können, ist bei der Wahl potentieller Verbündeter Vorsicht geboten. So banal die Aussage auch klingt: Ein militärisches Bündnis gegen den IS muß so breit wie nötig und so schmal wie möglich sein. Minimalistische Zweckbündnisse nach dem Leitsatz „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ können funktionieren. Die Koalition Stalin-Rußland an der Seite der Westmächte vereint gegen NS-Deutschland ist ein – wenn auch zeitlich begrenztes – Beispiel, das zum militärischen Sieg führte. 

Sodann muß die Flüchtlingskrise eingedämmt werden. Der IS-Terror ist eine der Hauptursachen für Flüchtlingsströme, wie wir sie noch nie erlebt haben. Dies bringt europäische Staaten in vielerlei Hinsicht an die Grenzen des Machbaren. Die Masseneinwanderung aus dem islamischen Raum birgt soziales respektive kulturelles Konfliktpotential sowie Sicherheits- und Gesundheitsrisiken. Ferner stellt sie Politik und Gesellschaft vor tiefgreifende bildungs- und arbeitsmarktpolitische Herausforderungen. Körperlich und geistig geeignete Flüchtlinge, die nicht im Verdacht stehen, den Terror des IS zu befürworten, müssen im Zuge des Krieges gegen den Terror an der Waffe ausgebildet werden und sich in ihrer Heimat am Kampf gegen den IS beteiligen. Jeder, der sich vom verängstigten Geflohenen zum kampfbereiten Gegner des IS wandelt, ist ein Gewicht mehr in der richtigen Waagschale, das dabei hilft, die Ordnung in Syrien wiederherzustellen.

Andreas Koch, Bielefeld






Zu: „‘Deutschland bringt die EU in Gefahr’“, im Gespräch mit Anthony Glees, JF 49/15

Völlig verdrehte Tatsachen

Professor Glees kritisiert zu Recht, daß die aktuelle deutsche Politik überwiegend von Emotionen bestimmt ist. Das ist aber die Folge der Mediendemokratie. Im infantilen Zeitalter der Likes und Dislikes hat die Vernunft einen schweren Stand. So ist es nur zwangsläufig, daß die Politik diesem Trend folgt, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Die Speerspitze dieser verhängnisvollen Emotionalisierung sind die selbstgerechten und vernunftresistenten Grünen. Daß an dieser moralisierenden Politik Europa nicht genesen kann, ist offensichtlich und führt Deutschland in eine neuerliche Isolation. 

Der Vorwurf von Glees, Deutschland sei anders als London oder Paris nicht bereit gewesen, im Irak, Syrien oder Nordafrika Verantwortung zu übernehmen, damit die Menschen nicht hätten fliehen müssen, ist allerdings eine völlige Verdrehung der Tatsachen. Erst die propagandistisch aufgeladenen und völkerrechtswidrigen Kriege zur angeblichen Verteidigung der Menschenrechte haben dazu geführt, daß rechtsfreie Räume entstanden sind, aus denen die Menschen nur noch fliehen wollen. Hätte sich Deutschland an diesen Kriegen beteiligt, die seit Lawrence von Arabien der gleichen Strategie folgen, wäre das Elend nicht geringer gewesen. Wenn die Deutschen einmal klaren Kopf behalten haben, wird ihnen das zum Vorwurf gemacht.

Dr. Jürgen Becker, Wittlich




Verfassungsrechtlich bedenklich

Was ich erstaunlich finde und was bislang noch niemand thematisiert hat: Wichtige Entscheidungen werden in parlamentarischen Demokratien grundsätzlich vom Parlament getroffen. Wenn also die Kanzlerin entschieden hat, Flüchtlinge zu Zehntausenden ohne jede Kontrolle ins Land zu lassen und weiterhin entschieden hat, den Asylparagraphen unserer Verfassung für eine (ökonomisch möglicherweise sinnvolle) Masseneinwanderung zu nutzen, um die Gesellschaft zu verjüngen und den Fachkräftemangel zu beheben, dann hat sie das offensichtlich aufgrund ihrer diktatorischen Befugnisse gemacht. Ich habe deshalb erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken und vermute, daß dieses Vorgehen einen eklatanten Verstoß gegen das Grundgesetz darstellt, das ja immerhin das Volk selbst als den Souverän und das Parlament als dessen Repräsentanz betrachtet. Haben wir also ein neues Stadium der Postmoderne erreicht, in dem die Talkshow das Parlament geradezu ersetzt und die Herrschaft der obersten Regierungsgewalt fast so absolut ist wie im römischen Kaiserreich vor 2.000 Jahren? 

Würde dem Volk in dieser wichtigen Frage sein verfassungsrechtlich garantiertes Mitspracherecht tatsächlich auch gewährt werden, würde es sich möglicherweise lieber dafür entscheiden, 300.000 fleißige, aber trotzdem arme Mädchen aus den frühkapitalistischen Fabriken Indiens oder Vietnams rauszuholen – anstatt einiger Millionen junger Männer aus den langjährig erprobten Krisengebieten der Welt. Der zusätzliche Bedarf an Pflegekräften wird von Experten übrigens auf 300.000 geschätzt. Merkwürdig, daß noch keiner drauf gekommen ist.

Dr. Roman Landau, Hamburg






Zu: „Hat er oder hat er nicht“ von Gernot Facius, JF 49/15

Pawlowsche Hunde

Der jahrzehntelang sorgsam gepflegte und quasi zur Staatsdoktrin erhobene Schuldkult gepaart mit einer medialen Inquisition links-rot-grüner „Gutmenschen“ gegen jede nicht politisch korrekte Veröffentlichung nimmt immer mehr jakobinische Ausmaße an. 

Kaum forderte der langjährige Spiegel-Autor Matthias Matussek eine Diskussion über offene Grenzen und junge islamische Männer, ließ die Reaktion der gleichgeschalteten Medien ganz im Geiste der Jakobiner nicht lange auf sich warten. Dem Reflex Pawlowscher Hunde gleich lauteten die vernichtenden Urteile von „ekelhaft“ bis „durchgeknallt“, da nach linker Meinungsvorgabe nicht sein kann, was nicht sein darf. 

Die Politik läßt sich weiterhin von illusorischem Wunschdenken leiten, unverdrossen bis in den Untergang. Wenn innerhalb kürzester Zeit Millionen arabischer Immigranten zu integrieren sind, ist die Frage legitim, warum in über vierzig Jahren die Integration der türkischen Mitbürger nicht gelang. Ebenso gilt dies für die Frage nach den Risiken für einen Staat, der sich zum offenen Land erklärt. Auf diesem Weg landet eine jahrhundertealte Kulturnation da, wo sie nicht zuletzt auf Betreiben sogenannter Linker und Autonomer hingehört: auf dem Müllplatz der Geschichte.

Ralf Möllering, Melle






Zu: „‘Es wird ein schlimmes Ende nehmen’“, im Gespräch mit Uwe Brandl, JF 48/15

Keine frohe Botschaft aus Bayern

Dem Präsidenten des Bayerischen Gemeindetages und Vizepräsidenten des Deutschen Städte- und Gemeindetages, Dr. Brandl, ist zuzustimmen! 

In diesen Zusammenhang gehört die verdrängte Frage nach der fortschreitenden Islamisierung. Wenn behauptet wird, der IS hätte nichts mit dem Islam zu tun, so ist das ebenso abwegig wie die Behauptung, der Kommunismus sei unabhängig von Marx und Engels entstanden. Beide sind menschenverachtend. So verdrängte und verdrängt der Islam noch immer blühende christliche Gemeinden mit seiner primitiven Kultur.

Karl-Heinz Grieger, Bielefeld




Helmut Kohl machte den Anfang

Das alles klingt nach dem berüchtigten Diktum „Finis Germaniae“! Die Vorarbeit hierzu leistete bereits Kanzler Kohl mit der Nichtrestituierung der nach 1945 Enteigneten, der damit einhergehenden Aushöhlung des Rechtsstaates und durch die Abschaffung der stabilsten Weltwährung, der Deutschen Mark. Inzwischen sind unsere Streitkräfte immer mehr zu einer Vasallentruppe der US-Armee mutiert. An Merkel war es schließlich, die Schulden- und Haftungsspirale Deutschlands in kaum mehr finanzierbare Höhen zu schrauben, durch den Kernkraftausstieg Deutschlands Energieversorgung noch importabhängiger zu machen, mit der Aussetzung der Wehrpflicht die letzten Bande zwischen Armee und Volk zu kappen und durch Zuzug weiterer Millionen Migranten das soziale Netz bis zur Zerreißprobe zu belasten. Wenn dieses reißt, drohen in den Ballungszentren bürgerkiegsähnliche Verhältnisse.

Jürgen von Corvin, Raisting






Zu: „‘Sofort, unverzüglich’“ von Detlef Kühn, JF 46/15

Schabowski als Vorbild für heute

Die gegenwärtigen Diffamierungen durch die Herrschenden wie „Pack“ oder „Dunkeldeutschland“ erinnern mich mit Erschrecken an die Zeit von 1989/1990. Damals versuchte Günter Schabowski, Chefredakteur des Neuen Deutschland, endlich mit seinen „Sonntagsgesprächen vor dem Berliner Roten Rathaus“ die DDR-Bürger anzuhören und ernst zu nehmen. Die Fragen stellenden Berliner wurden von ihm wie dumme Jungs behandelt. 20.000 Menschen waren gekommen. Später, im Buch „Das Politbüro“, sprach er darüber: „Es nützte auch nichts, sich zurückzuziehen und sich auf eine überhebliche Position zu begeben, Menschen als Mob zu bezeichnen. (...) Vielleicht hatten die Menschen mehr Recht, uns als Mob zu bezeichnen oder zumindest einige von uns. Das ist die alte Frage von Brecht, ob man meint, sich ein anderes Volk wählen zu müssen, bloß weil dieses Volk nicht mehr bereit ist, seine Regierung zu akzeptieren.“ 

Die drei hochrangigen Politiker Merkel, Gauck und Gabriel schafften es noch nicht, auf die verängstigten Kritiker in „DDR-Dunkeldeutschland“ zuzugehen und mit ihnen zu sprechen, obwohl es um Sein oder Nichtsein von uns allen geht. Unsere jetzigen Regierenden sollten künftig verantwortungsvoller sprechen und Andersdenkende, die ihnen politisch unsympathisch sind, ernst nehmen. 

Als Namensgeber und Mitbegründer von „Demokratie Jetzt“ im Jahr 1989 schrieb ich Schabowski einen Brief, als die Anfeindungen von seinen einstigen Weggefährten ihren Höhepunkt erreichten. Seine ehrliche Antwort darauf, über die eigene frühere Anmaßung und Illusionen der „historischen Mission“, berührt mich angesichts der gegenwärtigen Regierungspolitik um so mehr.

Wolfgang Apfeld, Kronshagen






Zu: „Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit heute / Kotau vor der Macht“ von Wolfgang Kaufmann, JF 44/15

DDR nicht vergleichbar mit heute

Autor Kaufmann hat offenbar vergessen, wie es in der DDR war – oder gehörte er zu dem Teil der Bevölkerung, der gar nicht merkte, was dort alles passierte? Zum Beispiel wurden Abiturzeugnisse aberkannt, so daß ein Hochschulbesuch nicht möglich war, oder Schüler flogen von den erweiterten Oberschulen oder wurden in Berufe hineingedrückt, in die sie nicht hineinwollten, oder sie „wanderten“ ins Gefängnis. Diesen Zustand mit dem heutigen Deutschland zu vergleichen und Parallelen zu suchen, dürfte viele der Betroffenen aus der ehemaligen DDR beleidigen. Die Linientreue zur Partei in der DDR ist kaum vergleichbar mit der heutigen Situation. 

Die Diktatur des Arbeiter- und Bauernstaates hatte niemals ihre Natur verleugnet, sondern war darauf stolz. Die Schwächen der heutigen Demokratie in der Bundesprepulik können damit nicht auf eine Stufe gestellt werden. Zudem: Je mehr Menschen in einem Land ein Hochschulstudium abschließen, desto mehr Wissenschaftler werden herangezogen. Wie sollen diese alle finanziert werden? Wenn der „Wissenschaftsmarkt“ ein wirklich freier Markt wäre, stünde Deutschland an der Spitze jener Länder mit den meisten arbeitslosen Hochschulabsolventen. Was momentan in Deutschland passiert, ist die Verwässerung der wissenschaftlichen Qualität. Die könnte tatsächlich mit der ehemaligen DDR verglichen werden, wenngleich sie eine ganz andere Ursache hat.

Prof. Dr. Wolfgang Gowin, Temecula, Kalifornien/USA