Zu den Leuten, die mir beim Flohmarktbesuch regel-mäßig über den Weg laufen, zählt auch der Typ mit der buntgeringelten Strickmütze. Sein sozial und menschenfreundlich wirkender Habitus und die davon ausgehende moralische Hegemonie haben ihm bestimmt schon so manches Schnäppchen eingebracht. Risse bekam seine äußerlich positiv besetzte, aber nie wirklich sympathische Erscheinung zum ersten Mal, als ich miterleben mußte, wie er einem Kind einen Karton mit Plastikfiguren aus der Hand riß.

Einmal kam ich dazu, wie sich eine Rentnerin mit einem Standbesucher ihres Alters unterhielt, über ihre Angst vor den vielen Flüchtlingen, die so ganz anders wären, als man das im Fernsehen immer sieht. Das mit den Flüchtlingen hört auch die vorbeieilende Strickmütze und raunzt die Frau an, ob sie denn in Syrien wohnen möchte, sie solle sich was schämen.

Zwei Wochen später bietet er das Bild an seinem Stand für 160 Euro an.

Das bekommen auch die zahlreichen Ausländer vor und hinter den umliegenden Ständen mit und beobachten die Frau argwöhnisch. Ich unterhalte mich ein wenig mit der Verunsicherten. Sie erzählt, daß ihr Mann in wenigen Wochen an Krebs sterben werde und daß sie gar nicht wisse, wie es weitergehen solle. Die letzte Zeit sei sehr schwer gewesen. Sie habe wenig Hilfe und sei nicht einmal mehr in der Lage, ihren Mann zu baden.

Ein paar Stände weiter entdecke ich die Strickmütze wieder. Einem erkennbar nicht auf Rosen gebetteten Rentner versucht er ein altes Aquarell abzuschwatzen. Dem Mann fällt es nicht leicht, sich von dem Bild zu trennen. Ein altes Familienerbstück, erklärt er leise, signiert, das Ulmer Münster von einem bekannten schwäbischen Maler. Doch gegen die Strickmütze hat er keine Chance. Für nur noch sieben Euro wechselt das Bild seinen Besitzer. Zwei Wochen später bietet die Strickmütze das Bild an seinem Stand für 160 Euro an. Ein Schnäppchen, wie er dem Standbesucher mit Hinweis auf die Signatur erklärt. Der Kunde nickt, und sie einigen sich auf 140 Euro.