© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/15 / 11. Dezember 2015

Grüße aus Bern
Ohne Plan läuft nichts
Frank Liebermann

Gemeinhin sind die Schweizer ein freundliches Völkchen. Allerdings gibt es auch hier seltsame Orte, bei denen jegliche Zuwiderhandlung mit härtesten Sanktionen bestraft wird. Einer dieser Orte nennt sich Waschküche.

Dazu muß der liebe Leser eines wissen: Anders als in Deutschland gibt es hier fast keine Wohnungen ohne Einbauküche oder Waschmaschine zu mieten. Dies macht das Umziehen wesentlich einfacher. Doch was bei der Küche noch sehr fein ist, wird bei der Waschmaschine vor allem dann ein Problem, wenn diese wie fast überall in einer Waschküche steht. Der Zugang und die Benutzung sind dort streng geregelt, meist schon im Mietvertrag. Das wichtigste Instrument der Steuerung ist der Waschplan. Wer waschen möchte, muß sich in der Regel schon einige Monate im voraus eintragen. Private und berufliche Pläne sind streng mit dem Waschplan abzustimmen. 

Hinzu kommen viele Regeln: „Das Reinigen des Flusensiebs ist obligat!“, „Der Trockenraum ist trocken zu hinterlassen“ und „Nach 20 Uhr ist die Benutzung der Waschmaschinen untersagt“. Die Einhaltung wird in der Regel von einer „Waschküchenverantwortlichen“ überwacht.

Die Waschküchen der Eidgenossen haben etwas Urdemokratisches an sich.

Wobei es nicht nur ein Recht ist zu waschen, sondern es besteht auch die Pflicht dazu! Als ich einmal länger arbeiten mußte und nicht zur Waschzeit pünktlich zu Hause war, besuchte mich kurz darauf eine ältere Nachbarin, die mich in einem langen Monolog auf die Schändlichkeit meines unbotmäßigen Verhaltens hinwies. Sämtliche Rechtfertigungsversuche meinerseits, wie der Hinweis, daß ich meinen Arbeitsplatz zwingend nicht verlassen konnte und große Probleme bekommen hätte, falls ich dies getan hätte, wurden selbstverständlich ignoriert. Ich hatte aber noch Glück. Da ich Deutscher bin und die Gepflogenheiten nicht so gut kenne, ließ mir die Dame das noch einmal durchgehen und versicherte, mich dieses Mal nicht bei der Hausverwaltung anzuschwärzen. Dabei bin ich noch gesegnet. Da ich viele Rentner im Haus habe, gibt es abends fast immer freie Waschmaschinen. 

Während in Deutschland jeder geheim für sich wäscht, kann in der Schweiz jeder alles von seinen Nachbarn bewundern. Von Reizwäsche bis zu Stützstrümpfen, nichts bleibt verborgen. Alle sind gleich. Jeder wird im Waschplan gleich behandelt, egal ob Arm, Reich, Rentner, Arbeiter, Single oder Großfamilie. Die Waschküche ist demnach etwas Urdemokratisches.