© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/15 / 18. Dezember 2015

„Das war ein Gewaltexzeß“
Innere Sicherheit: Die schweren Ausschreitungen von Linksextremisten in Leipzig sorgen über die Stadtgrenzen hinweg für Entsetzen
Christian Schreiber

Ricardo Schulz war noch Stunden später schockiert. „So etwas übersteigt unsere Vorstellungskraft. Das war ein Gewaltexzeß“, sagte der Sprecher der Leipziger Staatsanwaltschaft. Am vergangenen Samstag haben rund tausend militante Linksextremisten in der sächsischen Metropole einen bürgerkriegsähnlichen Zustand provoziert. 

Auslöser der Straßenschlachten war eine angemeldete Demonstration der rechtsextremen Kleinstpartei „Die Rechte“, zu der rund 150 Personen gekommen waren. An den von Gewerkschaften, Grünen und Linkspartei organisierten Gegen-Aufmärschen beteiligten sich rund 2.500 Personen, darunter zahlreiche Schlüsselfiguren der örtlichen Antifa-Szene. Leipzig gilt seit Jahren als Hochburg der organisierten Linksextremisten. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) nannte die Ausschreitungen „schockierend“  und sprach von einem „offenen Straßenterror“: Kriminelle diskreditierten den so wichtigen, friedlichen Protest gegen Neonazis. Nach Ansicht von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) verdeutlichten die Ausschreitungen, „wie extremistisch und rechtsstaatsfeindlich“ die autonome Szene in Leipzig sei.

Ermittlungen gegen Antifa-Pfarrer König 

Bereits am Morgen brannten Mülltonnen und wurden Scheiben von Schaufenstern und Autos eingeschlagen. Im Umfeld der Demonstrationen eskalierte die Situation schließlich. Vermummte gingen mit zuvor selten erlebter Brutalität gegen Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr vor. Sie bewarfen Polizisten mit Böllern, Steinen und Flaschen. Auch Einsatzfahrzeuge wurden attackiert. Die Beamten antworteten mit Tränengas und Rauchgranaten und  nahmen 23 Menschen vorübergehend in Gewahrsam, darunter auch den der linksextremen Szene nahestehenden Jenenser Stadtpfarrer Lothar König 

(JF 35/15). Die Staatsanwaltschaft Leipzig leitete zahlreiche Verfahren wegen schweren Landfriedensbruchs ein.  Oberbürgermeister Jung machte auch Versäumnisse des Verfassungsschutzes für die Eskalation verantwortlich: „Was sich im Untergrund organisiere und „systemfeindlich und kriminell gewalttätig agiert“, müsse durch den Staatsschutz beobachtet werden, sagte er dem Mitteldeutschen Rundfunk. Es habe aber im Vorfeld keine entsprechenden Informationen gegeben. Zudem forderte der SPD-Politiker, es müsse mit den zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln und „mit aller Härte“ gegen solche Gewalttäter vorgegangen werden. „Und das passiert nicht“, sagte er.

Vertreter von Linkspartei und Grünen kritisierten dagegen den Polizeieinsatz als unverhältnismäßig. „Es ist aber auch zu einem massiven Vorgehen der Polizei gegen friedliche Demonstranten gekommen, bis hin zu Tränengaseinsätzen“, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, Valentin Lippmann, der Nachrichtenagentur dpa. „Mit Tränengasgeschossen und körperlicher Gewalt gegen Demonstrierende wurden an vielen Stellen Grenzen überschritten“, fügte die Leipziger Linken-Abgeordnete Juliane Nagel hinzu.

Für Kritik sorgte auch, daß der Thüringer Pfarrer König, Vater der  sächsischen Landtagsabgeordneten Katharina König (Linkspartei), vorübergehend festgenommen wurde. Er hatte vor einer Gruppe von Antifaschisten von seinem Lautsprecherwagen aus gesprochen. Es habe sich um eine Präventivmaßnahme der Polizei gehandelt, erklärte Staatsanwalt Schulz. Gegen König werde ebenfalls ermittelt. Es bestehe der Anfangsverdacht des aufwieglerischen Landfriedensbruchs.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Thüringen, Wolfgang Fiedler, warnte dagegen davor, Opfer- und Täter-Rollen zu vertauschen. „Es wird Zeit, den Linksextremismus genauso ernst zu nehmen wie den Rechtsextremismus. Er ist eine keineswegs geringere Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung.“ Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach von staatsfeindlichen Aktionen. In Leipzig sei sehr deutlich geworden, „daß es den linksextremistischen Gewalttätern weder um Flüchtlinge noch um den sogenannten Kampf gegen Rechtsextremisten geht“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende Jörg Radek Focus Online: „Ihre Feindbilder sind die Polizei, unsere Gesellschaft und unser Staat.