© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 53/15-01/16 vom 25. Dezember und 1. Januar 2016

Kampf gegen den „Heterozwang“
Bildungspolitik: Auch in Mecklenburg-Vorpommern sollen die Schüler künftig umfassend über sexuelle Praktiken aufgeklärt werden
Martin Voigt

In Mecklenburg-Vorpommerns Schulen sollen künftig das traditionelle Familienbild und die heterosexuelle Orientierung nicht mehr als Normalfall zu erkennen sein, sondern lediglich als eine mögliche Variante neben allen nicht-heterosexuellen Lebens- und Liebesweisen. Auch in den Lehrerkollegien soll dies fortan Konsens sein, fordert der neue „Landesaktionsplan für die Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“, den der Schweriner Landtag Ende November beschlossen hat.

Wie auch in Berlin, Baden-Württemberg oder Niedersachsen reicht es dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) nicht mehr, Toleranz und Gleichberechtigung zu fordern. Stattdessen fordern die Sozialministerien, in denen der LSVD Einfluß hat und die Aktionspläne in die Feder diktiert, ein „Klima der Akzeptanz“. Von der Kita bis zur Oberstufe sollen sämtliche sexuelle Orientierungen nicht nur toleriert, sondern vollständig akzeptiert, also gutgeheißen und in das eigene Werteempfinden integriert werden. Sexuelle Vielfalt soll in jedes Schulbuch, in die Köpfe und Herzen der Kinder.

Die Begründung ist stets dieselbe. Schon Kindergartenkinder würden durch die heteronormative Erziehung ihrer Eltern einseitige Rollenbilder verinnerlichen. Zum einen würde dies ihre sexuelle Entfaltung behindern, denn ohne den Heterozwang im Elternhaus wären sie vielleicht doch lieber schwul oder lesbisch geworden. Und zum anderen würden Kinder aus Hetero-Familien homosexuelle Mitschüler oder Kinder aus Regenbogenfamilien allein schon durch ihre anerzogene Vorstellung von Normalität diskriminieren.

Interaktive Unterrichtseinheiten

Als Beleg führen der LSVD und die Sozialministerien stets die Studie „Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen“ von Ulrich Klocke an, die von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft in Auftrag gegeben wurde. Verfasser und Auftraggeber erhielten ein Ergebnis, das noch mehr Antidiskriminierungsarbeit notwendig machte: LSBT*I-Menschen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle) würden an Berliner Schulen vor lauter Homophobie und Diskriminierung ihres Lebens nicht mehr froh.

Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen und Lehrkräfte sollen daher „noch besser in der LSBT*I-Thematik qualifiziert werden, um gegenstandsgerecht und sensibel auf Fragen der Pluralität sexueller und geschlechtlicher Identitäten in ihrem Berufsalltag reagieren zu können“, heißt es im Schweriner Aktionsplan. Doch der Absicht, in Bildungseinrichtungen antidiskriminierend wirken zu wollen, folgt nicht selten eine verfassungsrechtlich grenzwertige Umsetzung. Die Pädagogen sollen nicht abwartend auf Fragen ihrer Schützlinge reagieren, sondern aktiv und fächerübergreifend für die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ sorgen. Sexualerziehung als pädagogische Speerspitze konfrontiert Kleinkinder, Grundschüler und Teenager mit sexuellen Inhalten in interaktiven Unterrichtseinheiten.

Alles was in der menschlichen Sexualität möglich ist, sollen Kinder als normal und gleichermaßen wertvoll erleben. Bekannt geworden ist das Übungsbuch „Sexualpädagogik der Vielfalt“ der Pädagogikprofessorin Elisabeth Tuider. Aktfotos, Handschellen, Lack und Leder, das Kamasutra, Vaginalkugeln, Dildos und eine „Taschenmuschi“ liegen zur Auswahl bereit, wenn die Schüler je nach Übung einen imaginären Puff einrichten oder Trennungsschmerzen lindern sollen. Außerdem sollen sie verbotene Sexualpraktiken diskutieren und neue erfinden, Gruppensex während der Menstruation im Rollenspiel nachstellen, sich gegenseitig massieren und CSD-Paraden besuchen.

Eltern werden in rechte Ecke gerückt

In Schleswig-Holstein scheiterte Sozialministerin Kristin Alheit (SPD)wiederholt damit, die sexuelle Vielfalt in die Grundschulen zu bringen. Das vom LSVD erstellte Material wurde vom Kultusministerium für untauglich erklärt. 

Eltern, die sich gegen den staatlich geförderten Mißbrauch ihrer Kinder zur Wehr setzen, werden in die rechte Ecke gerückt. Da Rechtsextreme ein traditionelles Geschlechterrollenmodell lebten, bestehe ein gefährlicher Anschluß bis in die Mitte der Gesellschaft, so Heike Radvan von der Amadeu-Antonio- Stiftung. Auf dem Berliner Kongreß „Respekt statt Ressentiments“ sagte sie, die Anschlüsse an den modernen Rechtsextremismus zeigten sich, wenn „in sogenannten Qualitätsmedien antifeministische Stimmen gegen Gender Mainstreaming polemisieren“ oder „christlich-fundamentalistische Milieus gegen emanzipatorische Sexualpädagogik demonstrieren“.

Mit dem Stigma „rechts“ wird jede Kritik aus dem Diskurs entfernt, während Lobbygruppen, die von sich behaupten, die Interessen von LSBT*I-Menschen zu vertreten, über die mit genderaffinen Damen besetzten Sozialministerien Zugang ins Klassenzimmer erhalten. „Ein besonderer Wert der Schulprojekte liegt in den biographischen Einheiten, in denen die ehrenamtlichen Durchführenden von ihren ganz persönlichen Erfahrungen berichten und den Jugendlichen diesbezüglich Rede und Antwort stehen“, erklärte eine Sozialpädagogin, die als Forschungsschwerpunkte Abtreibung und Jugendsexualität angibt, auf dem vom Familienministerium geförderten Kongreß. Einen offenen Diskurs lehnt sie ab: Sexuelle Bildung und Schulprojekte würden gut daran tun, „Standpunkt gegen Antifeminismus, Neue Rechte und christlichen Fundamentalismus zu beziehen“.