© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 53/15-01/16 vom 25. Dezember und 1. Januar 2016

Blick in die Medien
Keine Aktenrolle
Ronald Gläser

In Hamburg haben ein paar Jugendliche die Verlagsräume der Hamburger Morgenpost angezündet. Die Tageszeitung hatte es gewagt, Karikaturen des Propheten zu veröffentlichen. Demnächst findet der Prozeß statt. Wer weiß mehr? Die Staatsanwaltschaft in Hamburg. Sie hat auch eine Webseite. Leider gibt sie nichts von sich preis. Denn: „Aus naheliegenden Gründen eignen sich aktuelle Informationen der Staatsanwaltschaften nicht für allgemein zugängliche Veröffentlichungen“, heißt es dort. Hanseatisch verschwiegen oder einfach zu faul, Pressemitteilungen zu verfassen? Egal. 

Ring. „Hier ist Gläser, Junge Freiheit. Wann findet der Prozeß gegen die Brandstifter bei der Hamburger Morgenpost statt?“ „Kann ich nicht sagen. Fragen Sie mal das Amtsgericht Altona.“ 

„Aber das ist Altona. Von denen kriegen wir nie die Aktenrolle. Da kann ich nichts sagen.“ 

Gesagt, getan. Ringring. „Ja, hier ist Gläser, Junge Freiheit. Wann findet der Prozeß gegen die Brandstifter der Hamburger Morgenpost statt?“ „Aktenzeichen? Ohne Aktenzeichen finde ich das nicht.“ „Weiß ich nicht. Ich frage noch mal die Staatsanwaltschaft.“ Gesagt, getan. 

Zwei Minuten später: „Das Aktenzeichen ist 334-147/15.“ „Nein. Solche Aktenzeichen führen wir gar nicht. Haben Sie nicht ein staatsanwaltschaftliches Aktenzeichen? Eins, bei dem Js in der Mitte steht?“ „Äh, nein. Ich rufe noch mal die Staatsanwaltschaft an.“ Gesagt, getan.

Zwei weitere Minuten später. „Also hier ist das Aktenzeichen der Staarsanwaltschaft: 7101-Js-46/15.“ „Ja, daaaaaas ist ein Aktenzeichen. Aber leider ist das Altona. Von denen kriegen wir ja nie die Aktenrolle. Da kann ich jetzt nichts sagen.“

Der Staat kann unsere Paßwörter sehen, Trojaner auf unseren Rechnern installieren und kennt bald dank Vorratsdatenspeicherung unsere Verbindungsdaten. Aber die einfachsten Informationen liegen nicht vor, weil eine Aktenrolle  (klingt schon mal sehr mittelalterlich) nicht weitergegeben wird!? Vielleicht wird diese ganze Angst vor dem Überwachungsstaat ja doch überbewertet.