© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/16 / 08. Januar 2016

EU-Kommision plant Debatte über Polen
Höchst unklug
Christian Rudolf

Wer in Polen an den Kiosk tritt, erfährt, wie eine lebendige Presselandschaft aussehen kann. Da gibt es von links bis rechts, von antiklerikal bis hochkirchlich alles, was der eigene Geschmack verlangt, dort werden etablierte Wochenschriften in Augenhöhe beworben, die bei uns nur auf Nachfrage erhältlich wären. Desgleichen in Fernsehen, Hörfunk sowie im Internet: Es gibt den linksliberalen, EU- und globalisierungsfreundlichen Mainstream wie die konservativ-national ausgerichteten Sender kirchlicher Stiftungen oder die Magazine engagierter Medienleute, die deswegen erfolgreich sind, weil sie schreiben, was die Leute interessiert. Polen ist stolz auf seine spürbar freiere Diskussionskultur; Freiheitsliebe und Aufmüpfigkeit gegen Anmaßungen der Obrigkeit gehören zu den Nationaleigenschaften. 

Insofern handeln zwei Akteure höchst unklug: Erstens die polnische Regierung, die das Staatsfernsehen auf ihre Linie umbiegt. Schon mit den Manipulationen am Verfassungsgericht haben sich Regierung und der ihr nahestehende Präsident ein Eigentor geschossen. Zehntausende Gegner gingen auf die Straße, die Zustimmungsraten purzeln. Zweitens auch die von keinem Volk gewählten Brüsseler Kommissare, die nun den Bannstrahl gen Warschau schleudern wollen. Deren Sorge gilt nicht den „europäischen Werten“, sondern speist sich aus der Abneigung gegen eine Regierung, der die nationale Souveränität etwas gilt.