© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/16 / 08. Januar 2016

Geflügelzüchter hetzen Hühnerdiebe
Stein- und Baummarder: In Frankreich gefährden Fallenjagd und Verkehr den Bestand
Kai Althoetmar

Wo Baum- und Steinmardern mit Gewehr und Fallen nachgestellt wird, bedroht dies ernsthaft deren langfristigen Bestand. Das fanden vier Forscher der französischen Jagd- und Wildtierbehörde (Oncfs) in Birieux (Region Rhône-Alpes) sowie der Universität Lyon bei Untersuchungen im Osten Frankreichs heraus. Das Team um die Tiermedizinerin Sandrine Ruette vom Oncfs hatte vier Jahre lang mit Unterstützung von Jägern und Fallenstellern in der Region Bresse 40 zuvor mit Lebendfallen gefangene Baum- und 38 Steinmarder besendert, deren Alter und Geschlecht bestimmt und den Werdegang der Tiere verfolgt. Die Funkhalsbänder zeigten nicht nur den Aufenthaltsort der Marder an, sondern per Sensor auch Todesfälle. Aufgefundene tote Tiere wurden im Labor untersucht.

Suchen oft die Nähe menschlicher Siedlungen

Häufigste Todesursache waren Totfang-Fallen, gefolgt von Kollisionen mit Autos. Der Anteil von Jungtieren und halbwüchsigen Mardern unter den durch Fallen Umgekommenen war laut der Studie überproportional. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein ausgewachsener Marder trotz Gewehr- und Fallenjagd ein Jahr überlebt, betrug im Untersuchungsgebiet nur 49 Prozent – während sie in Habitaten ohne Jagd rund 70 Prozent erreichte.

„Diese Zahlen ähneln denen, die wir aus nicht bejagten Lebensräumen des amerikanischen Fichtenmarders kennen“, schreiben die Forscher und attestieren der Fallenjagd eine „starke Wirkung auf die Demographie“. In der ehemaligen Provinz Bresse nordöstlich von Lyon halten viele Geflügelzüchter in Freilandhaltung die teuren Bressehühner, deren Aufzucht besonders aufwendig ist. Die weißen Hühner mit den blauen Beinen erhalten ausschließlich regional angebauten Mais und Buchweizen als Futter und werden erst im Alter von vier Monaten beim Züchter geschlachtet. Der als Hühnerdieb verschriene Marder ist daher bei den Züchtern unbeliebt.

40 Prozent der Todesfälle beider Marderarten in den Jagdgebieten von Bresse wurden laut der Studie durch die Jagd verursacht, davon wiederum 82 Prozent durch die auch in Deutschland übliche Fallenjagd. Autos waren in jedem dritten Fall die Ursache für den Tod von Steinmardern, unter Baummardern in jedem vierten Fall. Der Tod von Kleinraubtieren durch Straßenverkehr war bislang kaum erforscht.

Die Überlebenschancen für Steinmarder liegen laut der Studie unter denen von Baummardern. Der Jagddruck auf den Steinmarder, der besonders als Geflügeldieb verrufen ist, ist höher, weil er oft die Nähe menschlicher Siedlungen sucht und gerne in Ställen und unter Dächern schläft, während der Baummarder fast nur im Wald lebt.

Mit ihrer Studie haben die Forscher erstmals die Überlebenschancen europäischer Marderarten in einem bejagten Lebensraum untersucht. In freier Wildbahn werden ausgewachsene Marder gewöhnlich drei bis fünf Jahre alt, selten zehn. Stein- und Baummarder sind in Europa zwar nicht bedroht. Laut Berner Konvention und einer EU-Richtlinie dürfen sie auch gejagt werden, allerdings nur solange sich ihre Bestände in einem „günstigen Arterhaltungszustand“ befinden und nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen sehen die Wissenschaftler mit Blick auf ihr Forschungsergebnis kaum noch gegeben. Die Jagd, zumal mit Fallen, habe einen großen negativen Einfluß auf die Bestände, so die Studie.

Studie „Comparative survival pattern of the syntopic pine and stone martens in a trapped rural area in France“ im Magazin „Journal of Zoology“, Band 295, 2015, S. 214–222

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