© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/16 / 08. Januar 2016

Scharfer Typ!
Ein Scherenschleifer wie aus dem Bilderbuch: Wiederherrichten statt Wegwerfen als Motto
Bernd Rademacher


Robert Rührschneck hat starke Ähnlichkeit mit Pettersson aus den Kinderbüchern von Sven Nordqvist. Doch der Franke hat keinen Kater Findus, sondern einen Sohn Stefan. Und beide sind – Scherenschleifer.

Nach langjähriger Berufstätigkeit in der Werbebranche hatte Rührschneck keine Lust mehr auf die Konsumwelt mit ihren „Billig, billig!“-Reklamesprüchen und stieg aus. Lieber engagierte er sich beim Bund Naturschutz in Bayern. Bei einem Weihnachtsmarkt, an dem die Umweltfreunde teilnahmen, trat er erstmals als Scherenschleifer auf, um mit dieser Attraktion für langlebige Qualitätsprodukte statt Ex-und-hopp-Artikel zu werben.

Es begann als Kleinverdienst neben der Arbeitslosigkeit

Der Publikumserfolg war groß; Einladungen zu regionalen Bauernmärkten folgten. So ging Rührschneck aufs Landratsamt und beantragte einen Reisegewerbeschein. Seit 1997 übt er ein Handwerk aus, das es eigentlich längst nicht mehr gibt. Die Qualifikation gewann er durch Produktschulungen beim schwedischen Hersteller seiner Präzisions-Naß-Schleifmaschinen. Was zunächst als Kleinverdienst neben der Arbeitslosenunterstützung gedacht war, konnte Vater und Sohn bald ernähren.

In seinem Haus bei Stein an der Rednitz im Landkreis Fürth schleift Rührschneck Messer und Scheren aller Art, Gartengeräte und Werkzeuge bis hin zu medizinischen Instrumenten. Für die Bearbeitung einer Geflügelschere nimmt er sechs Euro, für eine schwere Schneiderschere je nach Größe zwischen acht und 20 Euro. Nur eines schleift er nicht: Waffen. Er wird immer wieder gebeten, Samuraischwerter und ähnliches zu schärfen, doch solche Aufträge lehnt der überzeugte Pazifist ab.

Sein Haus im Landschaftsschutzgebiet hat keinen Kanalisationsanschluß. Dafür hat der vielseitige Tüftler eine eigene Kleinkläranlage errichtet. Trotz der einsamen Lage in Nähe des Ortes „Einöde“ bekommen Vater und Sohn Besuch von Laufkundschaft, teils bis aus Stuttgart. Wer den Weg dorthin nicht findet, kann Rührschnecks Schleifservice per Post in Anspruch nehmen, ab 60 Euro portofrei. Sogar Kunden aus der Schweiz und Luxemburg machen davon Gebrauch. Seine Bankverbindung hat der Naturschützer passend bei der Umweltbank. Das Motto „Wiederherrichten statt Wegwerfen!“ ist ihm eine echte Herzensangelegenheit.

Nach Eintritt ins Rentenalter fielen dem Franken das Herumreisen und die Auftritte auf den Märkten zunehmend schwer, darum nimmt Sohn Stefan diese Termine wahr, zum Beispiel auf dem Martinimarkt in Heroldsberg oder bei der Kirchweih in Poppenreuth. Vater Robert arbeitet unterdessen zu Hause in der Schleifwerkstatt. Zu seinen Kunden zählen Großküchen, Gewerbetreibende und Privathaushalte sowie die Benediktinerabtei Plankstetten. Er sagt: „Ich verdiene so zu meiner geringen Rente hinzu.“

Die Selbstbezeichnung „Der Scherenschleifer“ hat er bewußt gewählt, obwohl der Begriff durch schlitzohrige Landfahrer einen negativen Klang hat. Rührschneck will dem Traditionshandwerk wieder zu Ansehen verhelfen. Darum warnt er ausdrücklich vor Haustürgeschäften mit unseriösen „Kollegen“.

Ebenso warnt er vor Billigmessern, die oft als Set zu Discount-Preisen angeboten werden. Der Scherenschleifer verrät, wie man miese Ware erkennt: „Bei solchen Billigmessern ist der angebliche Markenname nur aufgedruckt, oder es ist lediglich ‘Rostfrei’ eingeprägt. Bei echten Qualitätsmessern ist der Hersteller samt Produktionsnummer oder Stahlsorte richtig eingeätzt.“

Und noch einen Tip gibt er uns mit: „Gute Messer nicht in die Spülmaschine geben oder gleich nach Ablauf des Spülprogramms herausnehmen und mit der Hand abtrocknen, denn Dampf und Heißluft können auch bei rostfreiem Stahl zu Korrosion führen.“ Wir werden’s uns merken!

Foto: Mit geübter Hand scharf geschliffen: Robert Rührschneck zeigt auf einem Markt in Franken sein Können. Die Kunden kommen teils von weither.