© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/16 / 15. Januar 2016

Grüße aus Santiago de Cuba Hey Yankee!
„Fine, aré yo?“
Alessandra Garcia

Ich lese zufrieden in der Granma, unserer dünnblättrigen kommunistischen Tageszeitung. Das Tageswerk ist vollbracht. Der Kleine macht nebenan mit einem Freund Schularbeiten. Ich höre ihr Gemurmel. Es muß wieder gelernt werden. Davon berichtet auch das „Großmütterchen“. Neben der Geschichte unseres Vaterlandes und der spanischen Muttersprache stehe die „Beherrschung der englischen Sprache“ in diesem Schuljahr ganz oben auf dem Lehrplan, schreibt die Parteizeitung, die selbst dank Fidels Revolutionsyacht einen englischen Namen trägt.

Daß Englischkenntnisse unentbehrlich sind, hörte ich zuvor von keinem Geringeren als unserem Vizepräsidenten José Ramón Machado Ventura. Der erinnerte in einer Rede Studenten daran, daß die Sprache nach dem revolutionären Klassenbewußtsein und dem Stolz, Kubaner zu sein, das Wichtigste sei, wenn wir künftig „von Tag zu Tag“ mehr Kontakte zu den Yankees haben werden.

Aber wer will schon wirklich Sprachen lernen, wenn er sie nicht benutzen kann?

Nun predigen meine europäischen Freunde seit Jahren, daß die beste Möglichkeit, sich auf das Ende der Castro-Ära und die Öffnung Kubas vorzubereiten, ist, Sprachen zu lernen: Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch. Italienisch ist uns natürlich die liebste Fremdsprache. Erstens klingt sie viel schöner als das Deutsche, zweitens brauchen wir da nicht viel lernen. Schließlich verstehen wir die Italiener beinahe auch so.

Sprachkurse gibt es auf Kuba in Hülle und Fülle. Eine Zeitlang bot der Staat sie sogar im Abendstudium an, und wer sie besuchte, erhielt ein Stipendium. Auch die katholische Kirche bietet Kurse an, wenngleich gegen Bezahlung.

Aber wer will schon wirklich Sprachen lernen, wenn er sie nicht benutzen kann? Wer privat Kontakt zu Touristen aufnimmt, läuft noch immer Gefahr, fünf Minuten später von Polizisten zur Seite gewinkt zu werden: Companera, warum haben sie mit den Fremden gesprochen? Dann gibt es eine Verwarnung mit Geldstrafe.

Die Stimmen der beiden Jungen sind lauter geworden. Etwas wie „How are you?“ klingt an mein Ohr. Als ich die Antwort höre, springe ich auf. „Fine, aré yo?“ antwortete mein Kleiner. Was sie denn da treiben würden, frage ich. Einen englischen Dialog lernen, bekomme ich zur Antwort. Ob sie denn nicht wüßten, daß die Wörter im Englischen anders gesprochen als geschrieben werden? Doch, antwortet mein Sohn. Aber die neue Lehrerin habe das bestritten. Und die habe eben das Sagen.