© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/16 / 15. Januar 2016

Ein Grenzzaun, der keiner sein soll
Österreich: Nach langem Hin und Her soll in der Steiermark ein stachelloser G7-Zaun illegale Migranten abschrecken / Täglich kommen nun 3.000 in Kärnten an
Lukas Steinwandter

Kein Thema bewegte die schwarz-rote Koalition in Österreich am Ende des Jahres so sehr wie der Grenzzaun im steirischen Spielfeld. Seit Anfang September kamen mehr als 600.000 Migranten nach Österreich. Viele über den Grenzort Spielfeld. Der Zaunbau stellte die Regierung vor eine Zerreißprobe. Wie kam es zum Koalitionskrach, und wie steht es um den Grenzzaun jetzt? 

Die Zaun-Debatte nahm Ende Oktober ihren Anfang, als Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nach einem Besuch im Spielfeld das erste Mal von „technischen Sperren“ sprach: „Wir haben jeden Tag mehr Zufluß im Süden als Abfluß Richtung Norden.“ Zudem gebe es immer mehr Einwanderergruppen, die aggressiver werden, warnte die Innenministerin. Ein Zaun sollte eine geregeltere Zuwanderung nach Österreich ermöglichen. Zunächst beherrschte das Thema Zaunbau allerdings die Debatte um die korrekte Bezeichnung. Von „technischen Sperren“ über „bauliche Maßnahmen“ bis hin zu „Türl mit Seitenteilen“ war die Rede. Bundeskanzler Werner Faymann vermeidet es bis heute um jeden Preis, das Wort „Zaun“ in den Mund zu nehmen. Nach einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stellte Faymann klar, „daß Zäune keinen Platz in Europa“ hätten. 

Rund einen Monat später steckten die ersten Pflöcke im Boden. Knapp 3,7 Kilometer „stachelloser G7-Zaun“ sollten bis Ende des Jahres verlegt werden. In einer sogenannten Kernzone rund um die Sammelstelle Spielfeld soll der Zaun vier Meter hoch sein, in den äußeren Zonen zweieinhalb Meter. 

Winzer macht Planung Strich durch die Rechnung

In der Kernzone stehen nun auch mehrere Container. Seit Jahresbeginn werden die Migranten dort registriert. Es werden Fotos gemacht, Fingerabdrücke genommen und das Gepäck mit Metalldetektoren auf verbotene Gegenstände durchsucht. Doch die zehn Millionen Euro teure „bauliche Maßnahme“ entwickelte sich immer mehr zu einem Kuriosum. Die Bauarbeiter und die Heerespioniere gingen in den Weihnachtsurlaub, noch bevor die 3,7 Kilometer Zaun fertiggestellt waren. Damit nicht genug, machten zwei Zaunrebellen den Plänen der Regierung einen Strich durch die Rechnung. Einer davon ist Winzer Erich Polz. Er besitzt ein grenzübergreifendes Weingut in Spielfeld. Ein Zaun quer durch seine bewirtschafteten Gebiete kommt für ihn nicht in Frage. Dies würde seine Arbeit „massiv beeinträchtigen“, wie der Winzer gegenüber der Tageszeitung Österreich erklärte. 

Mit den Winzern gab es mittlerweile Gespräche, und es wurde eine Lösung gefunden“, sagt Polizeipressesprecher Fritz Grundnig auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT. Der Zaun werde zwar gebaut, „aber in den Bereichen, wo die Bewirtschaftung der Weinberge notwendig ist, wird das Geflecht nicht aufgezogen“, so Grundnig weiter. Stattdessen werde es in unmittelbarer Nähe bereitgestellt, so daß es in Notfällen binnen weniger Stunden aufgezogen werden könne. Wie groß diese Lücken insgesamt sein werden, konnte der Beamte nicht sagen. Fest steht indes, daß der Zustrom an Migranten ungebrochen weitergeht. „Derzeit ist es so, daß wir täglich rund 800 bis 1.000 Personen in Spielfeld haben“, so Grundnig. Das sind zwar deutlich weniger Zuwanderer als im Herbst, als zwei bis dreitausend Menschen pro Tag in Spielfeld ankamen. „Man muß aber beachten, daß täglich rund 3.000 Personen über die Kärntner Grenze kommen.“