© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/16 / 15. Januar 2016

Wir leben in einer Zombie-Republik
Die Wirklichkeit verfehlt: Ein Kurswechsel im Machtdiskurs setzt eine Revolution im Geiste voraus
Thorsten Hinz

Die Übergriffe und Randale, die Silvester in westdeutschen Großstädten stattgefunden haben, sind die logische Eskalation einer Entwicklung, die schon vor Jahrzehnten als „molekularer Bürgerkrieg“ (Hans Magnus Enzensberger) begonnen und durch die ungebremste Zuwanderung immer schneller Fahrt aufgenommen hat. Jetzt beobachten wir ihre Massierung und Entgrenzung.

Die temporäre kriegerische Inbesitznahme zentraler öffentlicher Räume, darunter der hochsymbolische Kölner Domplatz, stellt eine Machtdemonstration von politischer Qualität dar, ganz egal, ob sie nun organisiert oder spontan erfolgte. Voraus ging die von Angela Merkel Anfang September 2015 verfügte Grenzöffnung, die massenhaft junge Männer aus fremden Kulturkreisen nach Deutschland geführt und so den beträchtlichen Import ethnokultureller Konflikte weiter gesteigert hat. In Verbindung mit dem Triebstau führt sie zu sexualisierter Gewalt, die gleichfalls eine Form effektiver Machtausübung und somit politisch ist.

In Politik und Medien ist nun zwar eine gewisse Irritation spürbar, doch die Entwicklung wird wie gehabt weitergehen. Ein Kurswechsel würde nicht weniger als einen Systembruch, eine kleine Revolution zunächst im Geiste voraussetzen. Denn der politische Diskurs, die institutionalisierte Redeweise über das fälschlich „Flüchtlingskrise“ genannte Staatsversagen im Angesicht einer islamisch geprägten Völkerwanderung erlaubt nur, die Flutung zu begrüßen und allenfalls Vorschläge zu ihrer Kanalisierung zu machen. Gestattet sind unterschiedliche Färbungen und Abstufungen eines falschen beziehungsweise instrumentellen Bewußtseins, das die faktische Abschaffung des Landes als Deutsch-Land bejaht. 

Es handelt sich um einen exekutorischen Machtdiskurs. Sein Zweck liegt nicht im Meinungsstreit, nicht im Austausch der Argumente und in der Vorbereitung demokratischer Entscheidungen, sondern in der Einschüchterung, Disziplinierung und der Herstellung von Konformität. Die Angehörigen der Funktionseliten – Politiker, Medien- und Kulturarbeiter, Akademiker – spielen darin (fast) durchweg ihren Part: Ihre Einsicht in die tatsächliche Lage reicht oft tiefer, als das den Anschein hat. Doch ein Ausscheren würde den Einzelnen in die soziale Isolation führen. Zweitens würde es das Eingeständnis eigener Irrtümer bedeuten, die man propagiert, an denen man verdient, in deren Namen man Andersdenkende verfolgt hat. Wer mag schon seine Schuld und den parasitären Charakter jahrzehntelanger Tätigkeit zugeben? Drittens wäre das Durchbrechen des Machtdiskurses ein Angriff auf eine institutionalisierte Machtstruktur. Weil man sich nicht vorstellen kann und will, was auf ihren Zusammenbruch persönlich, gesellschaftlich und politisch folgen würde, läßt man die Dinge weiter laufen.

Verstärkung des „Kampfes gegen Rechts“ 

Wie alle sozialen Systeme besitzen auch Diskurse die Fähigkeit der Autopoiesis, der Selbsterneuerung und Wiederherstellung. Sie sind fähig, externe Elemente zu verarbeiten und zu integrieren. Voraussetzung ist allerdings, daß diese Elemente anschlußfähig sind. Die Diskurswächter werden also eine sorgfältige Auswahl treffen, bestimmte Negativfolgen der Zuwanderung konzedieren und hinzufügen, daß diese ihnen natürlich längst bekannt gewesen seien. Nur die Gefahr des Mißbrauchs durch „Nazis“ und Rechte sei es gewesen, die ihre Thematisierung verhindert habe, weshalb die fällige Fehlerdiskussion zur „Flüchtlingskrise“ eine Verstärkung des Kampfes gegen Rechts bedinge. Nach der Berechtigung des Zustroms zu fragen oder gar auf seine Abstellung und Umkehr zu drängen, wird weiterhin zur Einstufung als Hetzer, Extremist und politischer Krimineller führen.

Justizminister Heiko Maas, sichtlich aus dem Tritt geraten, sprach angesichts der sexuellen Übergriffe von einem „Zivilisationsbruch“. Das ist Blödsinn, verweist aber ungewollt auf den geistig-moralischen Störfall, der das politische Denken und Handeln definiert und den Machtdiskurs historisch aufmunitioniert. Würde man sich mehr mit der Geschichte statt mit NS-fixierter Geschichtstheologie beschäftigen, dann wüßte man, daß diese Art von Gewalt eine übliche Begleiterscheinung ist, wenn sich neue, vitale oder auch bloß siegreiche Zivilisationen über alte, erschöpfte und besiegte schieben. Man lese die „Troerinnen“ des Euripides, das Buch des Historikers Bryan Ward-Perkins über den „Untergang des Römischen Reiches“ oder die Berichte vom Ende Byzanz’ 1453 oder Deutschlands 1945.

Die aktuelle deutsche Wahrnehmungsparalyse geht in die Tiefe wie in die Breite und hat auch die potentiellen und tatsächlichen Opfer der Entwicklung fest im Griff. Wie viele der Frauen und Mädchen, die sich in Köln, Hamburg und anderswo sexuellen Angriffen mit ethnokulturellem Hintergrund ausgeliefert sahen, hatten wohl zu den dummen Gänsen gehört, die sich während des sogenannten Sommermärchens 2015 im Totentanz des „Refugees

welcome“-Orgiasmus wiegten?

Tatsächlich leben wir weiter in einer Zombie-Republik, wo die Sprache und das Denken die Wirklichkeit systematisch verfehlt. Anders als zur Zeit der realsozialistischen Diktaturen vermittelt auch die Kunst keine neuen, nonkonformen Einsichten und subversive Energien mehr. Kein Houellebecq, nirgends, nur affirmative politische Didaktik mit Subventionsanspruch. In der Berliner Schaubühne läuft das Stück „Fear“ von Falk Richter, der das „freie, offene, vielfältige Land im Aufbruch“ – gemeint ist tatsächlich die Bundesrepublik – mit seinen „alternativen Familienmodellen und der Akzeptanz sexueller Vielfalt“ von Fremden- und Homofeinden bedroht sieht, die „wie Untote, Zombies, Wiedergänger aus der Vergangenheit“ – natürlich der NS-Vergangenheit – umgehen (JF 46/15).

Bleiben werden nur die Schneisen der Zerstörung

Die Andersdenkende so souverän verwerfen, sind freilich selber längst Verworfene, Zombies, die in dem Moment, da ihnen der Nimbus der Macht abhanden kommt, zu Staub zerfallen. Bleiben werden nur die Schneisen der Zerstörung, die sie, mehr unwissend als böswillig, gezogen haben. Auch ihre „Willkommenkultur“ war nie etwas anderes als die Ästhetisierung ihrer Schwäche. Als Schwächesymptom haben die Migranten sie instinktiv erfaßt, und seit der Silversternacht in Köln ist klar, daß sie sie nach ihrem Gusto zu definieren gedenken. Die Frauen und Mädchen suchten Schutz indes bei keinen sexuell Vielfaltigen, sondern bei – eingeschränkt wehrhaften – Männern in Uniform und sogar bei Türstehern, die der Inbegriff des zupackenden Machos sind.

Man sieht: Die Konstanten der Geschichte und der Anthropologie holen ihre geschwätzigen Leugner ein und schreiten lächelnd über sie hinweg. Aus dieser Perspektive ist das, was in den offiziellen Diskursen des Landes jetzt und künftig verlautet, unwesentlich. Ein Bemühen um Anschlußfähigkeit wäre nichts weiter als ein Selbstmord im Geiste.

Foto: Nach den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht verstärkt die Polizei ihre Präsenz am Kölner Hauptbahnhof: Störfall