© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/16 / 15. Januar 2016

Die Reise der Falter
Werner Olles

Jedes Jahr stürzen sich Millionen nordamerikanische Monarchfalter auf Seidenpflanzen, deren Blüte sie folgen. Ihre Lebenserwartung von vier bis sechs Wochen wird im Herbst durch eine Generation von „Superschmetterlingen“, welche sieben- bis achtmal länger lebt, viel stärkere Flugmuskeln hat und Fettreserven anlegen kann, übertroffen. Um den Winter in Mexiko zu verbringen, nutzen sie auf ihrem Flug dorthin wie Segelflieger thermische Aufwinde. Im Frühling kehren die markant orange-schwarz gezeichneten Monarchfalter zurück, um die nächste einfache Schmetterlingsgeneration zu produzieren.

Dieses alljährliche Naturwunder wurde nach vierzig Jahren hartnäckiger Detektivarbeit durch den Naturforscher Fred Urqurhart in den 1970er Jahren entdeckt. Auf die Arbeit dieses kanadischen Zoologen geht auch Mike Slees atemberaubend schöner Film „Flug der Schmetterlinge“ („Flight of the Butterflies“, USA 2012) über den Lebenszyklus des Monarchfalters zurück.

Durch Aufkleber auf den Flügeln konnte er nachweisen, daß die Falter, die nur ein halbes Gramm wiegen, an einem Tag bis zu 130 Kilometer flogen und insgesamt bis zu 4.000 Kilometer zurücklegten. Schließlich wurden die Überwinterungsquartiere in den Vulkanbergen, 240 Kilometer vor Mexiko-Stadt, entdeckt. Es ist die längste Insektenreise der Erde, und eines der größten Rätsel im Tierreich.Ähnlich wie Vögel orientieren sie sich am Sonnenstand und am Magnetfeld der Erde. Das Ziel selbst muß in den Genen programmiert sein. Seit dem Jahr 2000 sind sie durch das Monarch Butterfly Biosphere Reserve geschützt, bedroht ist das Naturphänomen aber durch illegalen Holzeinschlag, Pestizide und Klimawandel.

Im Hochland von Zentralmexiko hängen Millionen Monarchfalter im Winter in dichten Trauben an den Ästen der Oyamel-Tannen. Dort verfallen sie monatelang in Kältestarre, und der Wald wirkt wie eine wärmende Decke, die gleichzeitig vor Regen schützt. Im Frühling erwachen sie wieder zum Leben. In der Sonne wärmen sie ihre Flügel. Es herrscht Aufbruchstimmung, doch weit kommen die greisen Falter nicht, einige legen schon in den Wäldern ihre rund 400 Eier ab und sterben.

Mike Slees Film bietet phantastische Aufnahmen, die noch lange nachwirken.

DVD: Flug der Schmetterlinge. Ascot Elite 2015, Laufzeit etwa 45 Minuten