© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/16 / 22. Januar 2016

Herrscher der Welt
Vor 500 Jahren wurde der Habsburger Karl V. König von Spanien / Konflikt mit Frankreich war programmiert
Jan von Flocken

Seinen ersten Stierkampf sah der 17jährige im nordspanischen Städtchen Ribadesella. Damals war er noch nicht jener Karl V., römisch-deutscher Kaiser und Herrscher eines Reiches, in dem die Sonne nie unterging, sondern nannte sich bescheiden „Gobernador General“ (Großstatthalter) von Kastilien und Aragón. Der Enkel des Habsburger Kaisers Maximilian I. schien ein Glückskind zu sein. Schon 1506 war Karl nomineller Herrscher über die Niederlande und Flandern geworden – unter der Regentschaft seiner Tante Margarete von Österreich.

Im Alter von 15 Jahren erklärte man Karl 1515 für volljährig. Und als vor 500 Jahren, am 23. Januar 1516, König Ferdinand „der Katholische“ von Spanien, sein Großvater mütterlicherseits, gestorben war, erbte er auch noch die Krone des seit 1492 personell vereinten iberischen Landes. Seine offizielle Proklamation erfolgte am 13. März 1516 im Herzogsschloß von Brüssel. Der Knabe Karl war sehr sorgfältig erzogen worden, vor allem von wallonischen Edelleuten. Zu seinen Lehrern gehörte der Professor Adriaan Floriszoon aus Utrecht, später Papst Hadrian VI.

Über sein künftiges Königreich Spanien besaß Karl nur wenig Kenntnisse, die Sprache blieb ihm zunächst fremd. Seine Reise in den Süden verzögerte sich lange. Das lag vor allem an der Haltung des Nachbarlandes Frankreich, wo seit 1515 mit Franz I. ein höchst unternehmungslustiger und aggressiver Bursche auf dem Thron saß. Er drohte damit, sofort nach Karls Abreise die Niederlande zu überfallen. Nach langwierigen Verhandlungen erklärte Franz I. sich schließlich im August 1516 für neutral. Im Gegenzug mußte Karl eine Tributzahlung von jährlich 100.000 Dukaten entrichten und auf sämtliche Habsburger Ansprüche im Königreich Neapel verzichten. Es war eine Demütigung, die der spätere Kaiser den Franzosen zeitlebens nicht verzieh.

Erst im Frühjahr 1517 begann die Reise nach Spanien. „Als der Fürst den Ständen in Gent Lebewohl sagte, brach jedermann in Tränen aus“, berichtet der zeitgenössische Chronist Laurent Vidal. Begleitet von seiner zwei Jahre älteren Schwester Eleonore und dem Großkanzler Guillaume de Croÿ traf Karl samt Gefolge zunächst in Brügge und dann in der Hafenstadt Vlissingen ein. Hier mußte man wochenlang auf günstige Winde warten, bis die Flotte am 3. September 1517 endlich lossegeln konnte.

Die Überfahrt stand unter keinem günstigen Stern. Karl wurde häufig seekrank; das Schiff, welches seine Pferde transportierte, geriet schon am zweiten Tag in Brand und sank im Ärmelkanal mit 160 Mann. Durch einen Irrtum des Navigators landete die Flotte auch nicht wie vorgesehen in Santander, sondern am 18. September bei der unwirtlichen Bucht von Villaviciosa.

Der heikelste Teil folgte nun für den jungen Monarchen. Seine Mutter Johanna vegetierte, geschlagen von geistiger Umnachtung, im Kloster Santa Clara zu Tordesillas. Sie war nach dem frühen Tod ihres Gemahls Philipp „dem Schönen“ 1506 allmählich in Wahnsinn verfallen. Dennoch galt sie weiterhin als legitime Herrscherin von Kastilien. Karl mußte versuchen, hier einen Konsens zu finden und sich der Loyalität seiner Mutter zu versichern. Was bei ihrer persönlichen Begegnung in Tordesillas besprochen wurde und ob es überhaupt zu einer Verständigung kam, ist nicht genau überliefert.

Karl eroberte Spanien und wurde von Spanien erobert

Der Regent für Johanna, Kardinal Francisco Jiménez de Cisneros, hatte Karl schon 1516 gewarnt: „Der Tod Ferdinands, Eures Großvaters, verleiht Euch in Kastilien kein Recht; jede Änderung könnte im Land Aufruhr verursachen und die Gefühle jener verletzen, die wohl notgedrungen die Regierungsunfähigkeit der Königin eingestehen, sich jedoch weigern, sie ihrer Rechte zu berauben.“ Die Cortes (Ständeparlamente) von Kastilien und Aragón betrachteten den neuen König voller Mißtrauen. Man befürchtete eine Bevorzugung von Karls ausländischen Gefolgsleuten, deren sehr selbstbewußtes Auftreten schon beim prunkvollen Einzug in die Metropole Valladolid für Unmut sorgte.

Die Cortes übergaben Karl 88 Artikel mit politischen und wirtschaftlichen Forderungen, auf die er sehr flexibel reagierte. Vor allem setzte er sein bevorzugtes Mittel der Reisediplomatie ein und besuchte Spanien von einer Ecke zur anderen. „Karl V. stellt Höhe- und Endpunkt des mittelalterlichen Reisekönigtums dar. Er reiste sich sozusagen zu Tode“, schreibt sein Biograph Alfred Kohler. Es folgte die Huldigung durch die Stände von Kastilien und Aragón. Da Karl erstmals in einer Person die Kronen der beiden Reiche vereinte, gilt er als erster König von Spanien.

1519 erfolgte dann die Wahl zum römisch-deutschen Kaiser. 36 Jahre regierte Karl V. bis zu seiner spektakulären Abdankung als mächtigster Monarch der Christenheit. Seinen Lebensabend verbrachte er als Insasse eines spanischen Klosters, in jenem Land, dessen Sprache er als junger König bis auf wenige Wörter nicht beherrschte. „Karl eroberte Spanien in der Tat“, so der US-Historiker Royall Tyler, „aber Spanien hat auch ihn erobert, und zwar so schnell, daß er sein Leben als Spanier beendete.“