© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/16 / 22. Januar 2016

Havannas Weltrevolution
Fidel Castro brüskiert die Großmächte: Nach der Unabhängigkeit 1975 führte Kuba in Angola einen ganz eigenen Stellvertreterkrieg
Paul Leonhard

Vor 40 Jahren stürzte sich das sozialistische Kuba im südlichen Afrika in ein militärisches Abenteuer, das erst Ende 1988 enden sollte: mit dem Ende des weißen Rhodesien, mit der Unabhängigkeit Namibias und einem vor dem Zusammenbruch stehenden Apartheidsystem in Südafrika. Vor allem aber zerstörte der Sieg schwarzer Soldaten den Mythos von der Unbesiegbarkeit des weißen Mannes. Kuba aber stand am Rand der wirtschaftlichen Katastrophe, die Beziehungen zur Sowjetunion als seinem wichtigsten Verbündeten waren schlecht wie nie und der Konflikt mit den USA hatte sich verschärft. „Militärisch war Kubas Intervention durchaus ein Erfolg; außenpolitisch wurde sie jedoch zu einer Zerreißprobe“, fast der Politikwissenschaftler Bert Hoffmann das Geschehen zusammen.

Mit dem überstürzten Rückzug der Portugiesen brach in Angola ein Bürgerkrieg aus. Am 11. November 1975 sollte das Land unabhängig werden. Den sich bekämpfenden Befreiungsbewegungen war klar: Wer an diesem Tag die Hauptstadt besitzt, hat die Macht. Es begann ein Ringen um Luanda, in das erst reguläre südafrikanische und später kubanische Truppen eingriffen.

Castros wollte Revolution nun global ausrichten

Bis zur Unabhängigkeit Angolas hatte das südliche Afrika, von Moskau akzeptiert, zum Einflußgebiet der USA gezählt. Daß sich das änderte, lag am eigenmächtigen Handeln Kubas, dessen permanente Revolution global ausgerichtet war und dessen Regierung nicht davor zurückschreckte, durch das Eingreifen in regionale Konflikte einen Krieg zwischen den Großmächten zu riskieren.

Als Luanda zu fallen drohte, ließ Fidel Castro Elitetruppen einfliegen, die sofort die Kontrolle über die Hauptstadt übernahmen und die überraschten Südafrikaner zurückschlugen. Die Sowjet-union hatte zuvor kubanische Bitten um die Entsendung von Spezialeinheiten abgelehnt. Auch die USA verzichteten unter dem Eindruck des verlorenen Vietnamkriegs, sich auf ein neues Abenteuer einzulassen. Sie unterstützten insgeheim Südafrika, ließen dieses aber, als sich die Situation änderte, fallen. Man habe mit Wissen der USA in Angola eingegriffen, empörte sich 1978 Südafrikas Präsident Pieter Willem Botha. Washington habe „uns zum Handeln ermutigt und, als wir kurz vor dem Höhepunkt standen, gewissenlos im Stich gelassen“.

Die USA konnten sich nicht vorstellen, daß Castro ohne sowjetische Rückendeckung gehandelt hatte. In Angola „ergriff Kuba die Initiative“, um der Volksbewegung für die Befreiung Angolas (MPLA) zur Seite zu stehen, als sie im Machtkampf mit ihren lokalen Kontrahenten FNLA und Unita und deren südafrikanischen Unterstützern zu unterliegen drohte, konstatiert Peter Meyns in seinem Buch „Konflikt und Entwicklung im südlichen Afrika“. Erst als klar war, daß sich die USA nicht in Angola engagieren würden, habe die UdSSR die Gunst der Stunde genutzt und den Sieg für sich beansprucht, so Christine Hatzky in ihrer Studie „Kubaner in Angola“: Zuvor seien „die Verhältnisse zwischen der Supermacht und dem abhängigen Inselstaat auf den Kopf gestellt“ gewesen. Aus Sicht Castros sollte Angola die Basis sein, das ganze südliche Afrika vom US-amerikanischen und chinesischen Einfluß zu befreien. Kuba errichtete in Angola Ausbildungslager für Befreiungskämfer aus Namibia, Südafrika und Rhodesien. 

USA wollten Südafrika als Verbünderten schützen

Hatte die USA den Sturz der weißen Regierung in Rhodesien noch in Kauf genommen, wollten sie Südafrika als ihren stärksten Verbündeten in der Region vor dem Kommunismus schützen. Pretoria wiederum wollte Namibia, das ehemalige Deutsch-Südwestafrika halten. Da die Befreiungsbewegung Swapo aber von Angola aus operierte, war die südafrikanische Armee gezwungen, jenseits der Grenze zu kämpfen.

In den USA sorgte 1979 der Präsidentenwechsel dafür, daß sich die Supermacht wieder verstärkt für das südliche Afrika interessierte. Ronald Reagan wollte Angola frei von Kubanern und Sowjets wissen und rüstete die Rebellen mit modernen Waffen aus. Schließlich sorgten Fehleinschätzungen sowjetischer Berater dafür, daß eine gegen die Unita gerichtete Großoffensive zum Eingreifen der Südafrikaner und einer Niederlage der Regierungstruppen führte. Die Kubaner hatten genau das vorausgesehen und sich nicht beteiligt. Als aber die besten Einheiten von den Südafrikanern bei Cuito Cuanavale eingeschlossen wurden, griffen sie mit Panzern, Artillerie, Boden-Luft-Raketen und Flugzeugen ein. 40.000 Kubaner kamen im Süden Angolas zum Einsatz. Wie 1975 stellte Castro auch hier die Sowjets vor vollendete Tatsachen.

Die Schlacht bei Cuito Cuanavale gilt als die größte bewaffnete Auseinandersetzung in Afrika seit dem Zweiten Weltkrieg. Eine letzte Offensive der Südafrikaner am 23. März 1988 scheiterte, während im Südwesten Angolas die Kubaner in Richtung Namibia vorrückten. Kubanische Mig 23 beherrschten den Luftraum. In Pretoria und Washington leuchteten die Alarmlichter. Man fragte sich, ob die Kubaner an der Grenze zu Südwestafrika haltmachen würden.

Letztlich war die Situation so prekär, daß US-Außenminister George P. Shultz trotz des gegen Kuba bestehenden Embargos direkte Gespräche mit den Kubanern genehmigte. „Der kubanische Aufmarsch in Südwestangola hat eine unvorhersehbare militärische Dynamik geschaffen“, telegrafierten die US-Unterhändler. Im Dezember 1988 wurde ein Vertrag zwischen Angola, Südafrika und Kuba unterzeichnet, der den Abzug der Südafrikaner aus Angola und Namibia, die Unabhängigkeit Namibias und den Abzug der Kubaner vorsah.

Foto: Prowestliche Unita-Soldaten kämpfen gegen kubanische Militärs, Angola 1976: Auf den Kopf gestellt