© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/16 / 22. Januar 2016

Frisch gepresst

Jonathan Swift. Manche dürften den anglo-irischen Schriftsteller Jonathan Swift (1667–1745) wegen „Gullivers Reisen“ für einen unterhaltsamen Jugendbuchautor halten. Lese man aber dessen Original, so führt der Göttinger Anglist Heinz-Joachim Müllenbrock aus, werde schnell klar, daß es sich um mehr als „harmlose Belustigung“ handelt. Müllenbrocks mit leichter Hand gezeichnetes, den Stoff souverän beherrschendes Swift-Porträt lehrt stattdessen, das Werk dieses ätzenden Satirikers und sprachmächtigen Polemikers als Spiegel der englischen Aufklärungsepoche zu verstehen. Zwischen 1710 und 1714 galt Swift als „führender politischer Journalist“ Englands. Eine Rolle, die mit der Thronbesteigung der Hannoveraner ausgespielt war. Von seinem „unfreiwilligen Abseits“ in Dublin aus schwang sich der „publizistische Scharfrichter“ dann zum „Sprecher für das ganze Irland“ auf, der gnadenlos mit der „englischen Ausbeutungspolitik“ auf der grünen Insel abgerechnet habe. (jr) 

Heinz-Joachim Müllenbrock: Jonathan Swift – Autor von Gulliver‘s Travels, irischer Patriot und Querdenker der Aufklärung. Verlag Blaues Schloß, Marburg 2015, broschiert, 47 Seiten, Abb., 8,60 Euro




Göbekli Tepe. Im Südosten der Türkei, einer Region, die augenblicklich nicht zu Bildungsreisen einlädt, liegt der Göbekli Tepe, ein mäßig hoher Berg, auf dessen Plateau 1995 ein rätselhafter, etwa 12.000 Jahre alter Tempelkomplex freigelegt wurde. Der Brite Andrew Collins, den die megalithischen Stätten in Kurdistan seit langem in ihren Bann ziehen, versucht jenseits nüchtern-akribischer Ausgrabungsprotokolle diese älteste bekannte Steinarchitektur kulturhistorisch einzuordnen. Dabei beweist er sehr viel Mut zu kühnen Spekulationen. Vieles klingt nach New-Age-Esoterik. Aber die Hauptthese, die seltsamen Gebäude und Monolithen könnten als Reaktion auf eine Katastrophe biblischen Ausmaßes (Sintflut?) erbaut worden sein, erscheint zumindest diskutabel. Wie das ausführliche Literaturverzeichnis ausweist, hat Collins nicht auf relevante Forschungen der großen Zeit deutscher Altertumswissenschaft zurückgegriffen. Selbst bahnbrechende Werke Eduard Meyers (1855–1930) über die Ursprünge des Juden- und Christentums fehlen, obwohl Collins bestrebt ist, die Brücke von Göbekli Tepe zur alttestamentarischen und sumerischen Überlieferung zu schlagen. (dg)

Andrew Collins: Göbekli Tepe. Die Geburt der Götter. Der Tempel der Wächter und die Entdeckung von Eden. Kopp Verlag, Rottenburg 2015, 511 Seiten, Abbildungen, 24,95 Euro