© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/16 / 22. Januar 2016

Knapp daneben
Die gewöhnlichen Bürger in Schach halten
Karl Heinzen

Die Bundesregierung ignoriert Gesetze und macht Zehntausende von Beamten zu Mittätern. Der einstige Labormogul Bernd Schottdorf, der unter dem Schirm des bayerischen CSU-Regimes die Krankenkassen um gigantische Beträge erleichtert haben soll, erfreut sich der Straffreiheit. Und nun könnte auch noch das ehemalige Teldafax-Management, das mit einem Schneeballsystem 750.000 nach Schnäppchenstrom gierende Geizhälse um 500 Millionen Euro brachte, auf freiem Fuß bleiben.

Für die meisten Bürger ist diese Flexibilität, die der Rechtsstaat an den Tag legt, wenn es höhere Güter zu schützen gilt, kein Anlaß für Besorgnis. Sie schöpfen aus ihr vielmehr die Hoffnung, daß auch ihre kleinen Gaunereien, mit denen sie sich durchs Leben schlagen, nicht geahndet werden.

Diese Hoffnung trügt        jedoch, denn der Rechtsstaat weiß Ungleiche sehr wohl ungleich zu behandeln.

Diese Hoffnung trügt jedoch, denn der Rechtsstaat weiß Ungleiche sehr wohl ungleich zu behandeln. Auch der 48jährige Müllmann Andreas H., der sich derzeit vor dem Münchner Amtsgericht wegen Korruption zu verantworten hat, dürfte daher kaum ungeschoren davonkommen. Ihm wird vorgeworfen, in der Weihnachtszeit 2013 von Anwohnern entlang seiner Stammtour Geldgeschenke entgegengenommen zu haben. Was die Stadtverwaltung bereits im Jahr 2010 untersagt hatte. Ihre Richtlinien erlauben es allein, Süßigkeiten oder Sekt im Höchstwert von 15 Euro entgegenzunehmen. Andreas H. scheint dennoch der eine oder andere 20-Euro-Schein zugesteckt worden zu sein. Man vermutet, daß auf diese Weise bis zu 200 Euro zusammengekommen sind. In einem Fall soll der Beschuldigte als Gegenleistung sogar vorschriftswidrig Gartenabfälle als Zusatzmüll entsorgt haben. Auch wenn die Ermittlungsverfahren gegen jene Bürger, die ihn bestochen haben könnten, im Sande verliefen, wiegen die Indizien schwer. Wird Andreas H. verurteilt, dürfte auch die fristlose Kündigung, die gegen ihn ausgesprochen wurde, Bestand haben. Im Interesse unseres Rechtsstaates ist dies zu hoffen. Er ist ungefährdet, wenn ihn bloß die Eliten beugen. Er löst sich aber auf, wenn er die gewöhnlichen Bürger nicht in Schach halten kann.