© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/16 / 29. Januar 2016

Ahmad Mansour widerspricht der gefälligen These: „Das hat nichts mit dem Islam zu tun“
Der Warner
Fabian Schmidt-Ahmad

Dank Übung ist es ein einstudiertes Schauspiel. Werden irgendwo Terroranschläge oder sonstige Greuel von Moslems im Namen des Islam verübt, treten hierzulande Islamfunktionäre auf, die sich überrascht und schockiert zeigen. Dann, nach pietätvoller Atempause, wird die Tat als „unislamisch“ verdammt. Anschließender Höhepunkt ist ein „Massenprotest“ zusammengeklaubter Statisten, die kamerawirksam die „überwiegende Mehrheit der hier friedlich lebenden Moslems“ darstellen sollen. Bis zum nächsten Anschlag.

Wohltuend von derartigen Veranstaltungen heben sich die Auftritte des Psychologen und Islamismusforschers Ahmad Mansour ab. Sein Buch, „Generation Allah. Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen“, kurz vor den jüngsten Pariser Anschlägen erschienen, liest sich wie eine Blaupause für diese. Mit einer Warnung an die Deutschen: Man müsse sich kritisch mit dem Islam und seinen Gefahren auseinandersetzen, denn die Extremisten „verschärften nur bekannte Inhalte“ – weiter nichts.

Wer diese Tatsache ignoriere, sei nicht tolerant, so Mansour, sondern in letzter Konsequenz Rassist. Denn er verweigere einem Moslem, ihn mit dem gleichen Maßstab zu messen wie jeden anderen Europäer. „Wir Muslime sind keine geschützte Tierart, sondern wollen als mündige, gleichberechtigte Gesprächspartner ernst genommen werden – in einem offenen, fairen und vor allem überfälligen Diskurs.“ Als solcher steht er als Berater zur Verfügung, wenn es beispielsweise um die Deradikalisierung von Jugendlichen aus islamischen Familien geht.

Dabei hätte Mansours Weg durchaus eine andere Richtung nehmen können. Geboren 1976 in einem arabischen Dorf in Israel, drohte ihm zunächst die übliche Radikalisierungsspirale eines jungen Palästinensers. In der Schule geriet er in den Sog der Moslembruderschaft, wie er rückblickend gesteht. Doch statt einer ihrer Ideologen zu werden, gelang ihm während eines Psychologiestudiums in Tel Aviv der Bruch. Unmittelbar Zeuge eines Terroranschlags geworden, beschloß er 2004 auszuwandern  – nach Deutschland, nach Berlin. Seine Erfahrungen wurden zu seinem Forschungsgebiet: der radikale, politische Islam.

Unbequeme Fragen lernte Mansour hier zu stellen. Unbequem für diejenigen, die gerne so lange wegschauen, bis es nicht mehr geht. „Es macht mich wütend, daß wir erst jetzt eine Debatte führen und vermutlich auch bloß für zwei Wochen, danach ist scheinbar alles wieder in Ordnung“, empörte sich Mansour angesichts der Pariser Anschläge. „Ich fürchte, in Deutschland wird sich erst etwas bewegen, wenn auch hier einmal große Anschläge passieren.“ Wenn es soweit ist, wird man Männer wie ihn brauchen, die auch innerlich den Weg nach Europa gefunden haben.