© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/16 / 29. Januar 2016

Ein Hauch von Absprache
NSU-Prozeß: Die Aussagen der Angeklagten Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben weisen nur wenige Unstimmigkeiten auf
Hinrich Rohbohm

Ein Verdacht drängt sich auf: Haben Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben ihre Aussagen über ihre Anwälte miteinander abgestimmt? Zu ähnlich sind ihre Versionen, zu deckungsgleich die entscheidenden Passagen, bei denen sich beide im NSU-Prozeß vor dem Münchner Oberlandesgericht unwissend geben. Nämlich stets dort, wo es um konkrete Aussagen zu den Morden des mutmaßlichen Terrortrios geht. Morde? Beate Zschäpe will von ihnen immer erst später erfahren haben. Uwe Böhnhardt? Wie Wohlleben, etikettiert die Hauptbeschuldigte ihn als „Waffennarr“. „Wenn er Waffen sah, wollte er sie auch haben.“

Sie veranschaulicht Mundlos und Böhnhardts Abneigungen gegen Ausländer, was das Trio jedoch nicht davon abgehalten habe, oftmals ausländisch essen zu gehen. Politische Gespräche hätten sie im Laufe der Jahre aber immer weniger geführt. Die Taten der beiden nennt sie „brutal“ und „gefühllos“. Während beide sich in ihrer politischen Einstellung nicht unterschieden, sei Böhnhardt jedoch stets der gewalttätigere von beiden gewesen.

Wenige konkrete Angaben auf Nachfragen

Den später als V-Mann enttarnten Tino Brandt beschreibt sie auf Nachfrage als jemanden, „der überall seine Finger im Spiel“ hatte und den sie nicht leiden konnte. 55 Fragen hatte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl der Angeklagten gestellt. Schriftlich. Das war der Deal, den der 62 Jahre alte gebürtige Franke mit der Verteidigung einging. Es ist ein ungewöhnliches, ein weites Entgegenkommen gegenüber einer Angeklagten, der damit die direkte Konfrontation mit Frage und Nachfragen erspart bleiben. Für das Gericht brachte das in der vergangenen Woche zumindest ein Teilgeständnis ein. Ob sich der Handel auch für Zschäpe lohnen wird, ist allerdings mehr als fraglich. Weite Teile ihrer Einlassungen waren dem Gericht ohnehin bekannt. Es ist daher nur schwer vorstellbar, daß sie sich strafmildernd für die Angeklagte auswirken. 

Lediglich auf die Nachfragen mit Bezug auf ihre damalige persönliche Situation macht Zschäpe konkretere Angaben. Mit 15 Jahren habe sie angefangen, Alkohol zu trinken. Erst nur „ein paar Gläser“, zuletzt bis zu drei Flaschen Sekt pro Tag. Sie habe heimlich getrunken, weil Mundlos und Böhnhardt Alkohol ablehnten und es nicht geduldet hätten.

Ihre Abhängigkeit von den beiden sei nicht nur emotionaler, sondern auch finanzieller Art gewesen, verdeutlicht Zschäpe auf die Frage Götzls, was sie mit der Formulierung „die beiden brauchten mich nicht, ich brauchte sie“ meinte. So sei sie auf das Geld aus den Raubüberfällen angewiesen gewesen, um Mittel für ihr tägliches Leben zu haben. Sie selbst wäre nicht in der Lage gewesen, die Überfälle durchzuführen.

Böhnhardt und Mundlos hingegen hätten sie weder für die Planung noch für die Taten selbst benötigt. Bis zu sechsmal jährlich seien beide unterwegs gewesen, ohne sie darüber zu informieren, was sie vorhätten. Laut Zschäpe hätten sie ihr nicht zu 100 Prozent vertraut. Eine Aussage, mit der sie ihren Stellenwert im Trio kleinredet.

Noch stärker sei ihre emotionale Abhängigkeit gewesen. Weil das Trio untergetaucht war, seien Böhnhardt und Mundlos zu ihrer Ersatzfamilie geworden. Zu ihrer eigenen Familie habe sie keinen Kontakt mehr gehabt, habe völlig isoliert gelebt. „Mein bisheriges Leben existierte von da an nicht mehr.“

Unter anderem will Götzl auch von ihr wissen, was sie mit ihrer Aussage meinte, „resigniert“ zu haben. Sie sei mit ihrer Meinung bei den beiden „nicht durchgekommen“, verliest ihr Anwalt die Antwort. „Ich sah keine Möglichkeit, sie von ihren Taten abzuhalten. Sie ließen sich von mir nicht beeinflussen und sich nichts sagen. Ich war machtlos.“

Erklärungen, die nicht so recht in das Bild einer Person passen, die sich gleichzeitig als diejenige beschreibt, die das Geld des Trios verwaltete. Die im Gefängnis sogar divenhafte Züge annehmen soll. Und die von Wohlleben vor Gericht gerade erst als ein Mensch beschrieben wurde, der sich bei Kritik nicht den Schneid abkaufen läßt. Es ist eine der wenigen Unstimmigkeiten, die zwischen den Aussagen Zschäpes und Wohllebens im Raum steht.