© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/16 / 29. Januar 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Besser spät als nie
Elena Hickman

Deutsche Gründlichkeit und Sorgfalt sind nicht zu unterschätzen. Wahrscheinlich hat es deshalb auch ganze acht Monate gedauert, bis sich im Fall der Cyber-Attacke auf den Bundestag jetzt die Karlsruher Bundesanwaltschaft eingeschaltet hat. Sie ermittelt wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit. 

Daß für den Angriff kein Teenager zuständig war, der aus purer Langeweile Daten des deutschen Parlamentes anzapft, war aufgrund des komplexen Angriffs schnell absehbar. Aber wie das in Deutschland üblich ist, soll niemand voreilig zu Unrecht beschuldigt werden, und deshalb gilt wohl auch hier: Besser spät als nie. Wie Spiegel Online in der vergangenen Woche berichtete, hat Generalbundesanwalt Peter Frank Ermittlungen gegen Unbekannt aufgenommen. Die zur Bekämpfung von Spionagedelikten zuständige Fachabteilung ermittelt wohl schon seit Mitte Januar wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit. 

Deutsche Sicherheitsbehörden vermuten die Urheber des bislang schwersten Hacker-Angriffs gegen das Computer-Netzwerk des Bundestages („Parlakom“) in Rußland. Allerdings wollte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft nicht mitteilen, ob es inzwischen schon konkrete Spuren zu staatlichen Stellen gibt – etwa zu einem Geheimdienst.

Währenddessen machen Experten der IT-Sicherheitsfirma Kaspersky Lab die Gruppe Sofacy für die Angriffe verantwortlich. Die Hacker-Gruppe würde mit hohem personellen und finanziellen Aufwand arbeiten, einiges deute auf „staatlich-finanzierte“ Attacken hin. Außerdem sei die schädliche Software offenbar auf Rechnern mit russischer Spracheinstellung programmiert worden. Die Sofacy-Gruppe wird auch für weitere Angriffe auf verschiedene Nato-Staaten, wie auch auf Rüstungsunternehmen (insbesondere aus der Raum- und Luftfahrtbranche) verantwortlich gemacht. 

Im vergangenen Frühling hatten sich Hacker Zugriff zu 14 Bundestagsservern verschafft, einer davon war der Hauptserver mit sämtlichen Zugangsdaten zum deutschen Parlament. Das geht aus dem vertraulichen Abschlußbericht hervor, der dem Spiegel vorliegt. Als der Angriff Anfang Mai 2015 ans Licht kam, hatten die Hacker bereits 12,5 Gigabyte an Daten erbeutet. Später konnten sie weitere 3,5 Gigabyte abzapfen. 

Mit der Klassifizierung „geheimdienstliche Agententätigkeit“ könnte die Regierung einer Aufklärung des Cyber-Angriffs schon etwas näher gekommen sein. Damit bis dahin das infizierte „Parlakom“ aber vor weiteren Angriffen geschützt ist, hat der Bundestag vor drei Monaten – also ein knappes halbes Jahr nach dem Angriff – neue Schutzmaßnahmen gegen Hacker beschlossen: Abgeordnete und andere Mitarbeiter des Parlaments sind nun verpflichtet, Paßwörter und PINs mit mindestens acht Ziffern zu benutzen. 

Definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, wenn sich auch mancher Experte eine grundlegende Aufrüstung und Umgestaltung der Bundestags-Kommunikationstechnik gewünscht hätte.