© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/16 / 29. Januar 2016

Die Mitläufer verunsichern
Tagung: „Demo für alle“ stellt die Gender-Ideologie auf den Prüfstand der Wissenschaften
Michael Paulwitz

Die Premiere ist geglückt: Rund 900 Teilnehmer folgten der Einladung des Aktionsbündnisses „Demo für alle“ zum Symposium „Gender und Sozialpädagogik auf dem Prüfstand der Wissenschaften“ nach Stuttgart in das Kultur- und Kongreßzentrum „Liederhalle“. Wissenschaftler und Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beleuchteten in fünf Fachvorträgen und einer Podiumsdiskussion die Ideologie des „Gender Mainstreaming“ aus kultur- und sprachwissenschaftlicher, sozialethischer, sexual- und neurowissenschaftlicher Perspektive. 

Organisatorin Hedwig von Beverfoerde freut sich über einen „Riesenerfolg“. In nur zwei Monaten habe man den Kongreß auf die Beine gestellt, betont sie gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, und das ohne einen Pfennig öffentlicher Gelder und Finanziers im Hintergrund. Finanziert wurde die Veranstaltung aus Eigenmitteln und Beiträgen der rund 30 Mitgliedsorganisationen des Aktionsbündnisses, die sich im Foyer präsentierten, und aus Spenden, die von den Teilnehmern anstelle einer Eintrittsgebühr erbeten wurden.

Narzißtische Kränkung der Gender-Aktivisten

Zwingende persönliche Anmeldungen und strenge Einlaßkontrollen stellten den reibungslosen Ablauf im Inneren des vollbesetzten Mozartsaales sicher und waren für die hohe Teilnehmerzahl kein Hindernis. Ein starkes Polizeiaufgebot mit Reiterstaffel sicherte die Veranstaltung nach außen gegen linksextreme Störer, die den freien Zugang zur Liederhalle zeitweise erschwerten. Massive Attacken wie bei den drei „Demo für alle“-Kundgebungen im vergangenen Jahr oder bei der aggressiven Blockade einer AfD-Veranstaltung am Dreikönigstag blieben jedoch aus. Nach gut einer Stunde hatte sich der Gegenprotest mit etwa 150 Teilnehmern, bei dem SPD-Fahnen und die der linksextremen „Antifa“ wieder einträchtig nebeneinanderwehten, bereits aufgelöst. Hinter der Gegendemo stand unter anderem ein „Bündnis Vielfalt für alle“, dem 17 Organisationen von Linken und Grünen über Homo-Lobby-Gruppen bis zum steuergeldgeförderten „Stadtjugendring“ angehören.

Der Versuch der einflußreichen „Christopher Street Day“-(CSD)-Organisatoren, die Vermietung des Liederhallen-Saales an die „Demo für alle“ durch die städtische Veranstaltungsgesellschaft in Frage zu stellen, scheiterte an den rechtlichen Realitäten: Dagegen gebe es „keine rechtliche Handhabe“, beschied Stuttgarts grüner Oberbürgermeister Fritz Kuhn und ließ sich sogar zu der Bemerkung hinreißen, zur Demokratie gehöre auch, „Meinungen auszuhalten, die einem nicht passen“. Entsprechend schmallippig hielt sich CSD-Sprecher Christoph Michl daran fest, daß Kuhn sich immerhin von dem Kongreß „distanziert“ habe.

Ernsthafte Gesprächsangebote wiesen die Bildungsplanbefürworter dagegen rundweg ab. Sie habe eine Reihe von Vertretern der Gender-Lehre und der „emanzipatorischen Sexualpädagogik“ sowie die baden-württembergische Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) zur abschließenden Podiumsdiskussion eingeladen, alle hätten abgesagt, bedauerte Hedwig von Beverfoerde. Altpeter war kurioserweise indirekt dann doch vertreten: Eine Gender-Propagandabroschüre ihres Ministeriums war, mit einem Umschlag mit gefälschtem „Demo für alle“-Logo und -Schriftzug versehen, vor dem Eingang und im Foyer verteilt worden. Das Aktionsbündnis prüft rechtliche Schritte wegen mißbräuchlicher Verwendung ihrer Marke.

Den Düsseldorfer Sexualwissenschaftler Jakob Pastötter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung (DGSS), wundert diese Dialogverweigerung nicht: Daß mit dem Gegner nicht diskutiert werden dürfe, stehe schon „in den Gender-Lehrbüchern“. Die Militanz und Intoleranz sei auf eine „narzißtische Kränkung“ zurückzuführen, die entstehe, wenn das Selbstbild des moralisch Überlegenen und Unfehlbaren mit der Wirklichkeit kollidiere.

Das Ausblenden der Realität habe bei Gender-Aktivisten System, bekräftigt auch der Wiener Neurowissenschaftler und Psychotherapeut Raphael Bonelli: Ideologen wie Vordenkerin Judith Butler erklärten jedes Erwähnen biologischer wissenschaftlicher Fakten zum „Biologismus“. Bonelli plädierte in der vom stellvertretenden Chefredakteur der Züricher Weltwoche, Philipp Gut, moderierten Podiumsdiskussion, an der auch die Schweizer Frühsexualisierungs-Kritikerin Ulrike Walker und Karin Veigel von der Petitionsinitiative gegen den Bildungsplan „Zukunft, Verantwortung, Leben“ teilnahmen, für Zivilcourage: Man müsse laut widersprechen, um die opportunistischen „Mitläufer“ des Genderismus zu verunsichern; die seien das Problem, „Hardcore-Durchgeknallte“ gebe es nur sehr wenige.

Polarität von Mann und Frau ist gegeben

Die bilden allerdings eine einflußreiche Lobby, erklärte der Osnabrücker Sozialwissenschaftler Manfred Spieker, der den Siegeszug des „Gender Mainstreaming“ in den letzten anderthalb Jahrzehnten nachzeichnete. Die „Antidiskriminierungskampagnen“ der Homo-Lobby nähmen selbst diskriminierende Formen an: Deren Versuch, „den Unterschied zwischen der Bewertung der Homosexualität und der Diskriminierung von Menschen mit homosexueller Orientierung zu verwischen“, verstoße „gegen die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Rücksichtnahme auf unterschiedliche Werthaltungen“. 

Die Auswirkungen am Beispiel der „Sprachverhunzung“ zeichnete der Grazer Germanist Tomas Kubelik nach: Schüler, Verwaltungen und Studenten würden rechtswidrig gezwungen, falsches Deutsch zu gebrauchen. Das werde großzügig öffentlich alimentiert: Es gebe über 160 Gender-Institute, aber nur halb so viele beispielsweise für Slawische Sprachwissenschaften. Für „Mitläufer“ ein beachtlicher Karriereanreiz. Vom Menschenbild unterschiedlicher Hochkulturen weltweit ausgehend, das die sich ergänzende Polarität von Mann und Frau als gegeben und notwendig voraussetze, übte die Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz grundsätzliche Kritik am ideologischen Raster des Genderismus.

Mit dem Symposium wolle sie nicht nur der Ideologie wissenschaftliche Fakten entgegensetzen, sondern auch im Vorfeld der Landtagswahl in Baden-Württemberg politisch Einfluß nehmen, resümiert Organisatorin Hedwig von Beverfoerde. Die Bürger seien, nicht zuletzt durch die Asylkrise, kritischer gegenüber vorgesetzter Mediendarstellung geworden, ist sie zuversichtlich. Der Kongreß ist dabei nicht das letzte Wort: Am letzten Februar-Wochenende ist in Stuttgart eine weitere „Demo für alle“ angemeldet – zwei Wochen vor dem Wahltag.