© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/16 / 29. Januar 2016

Das Blutbad bei der roten Gruppe
Axel Springer: Die „Bild“-Zeitungen verlieren immer weiter an Boden / Ob eine Trendwende helfen kann?
Petr Bystron

Mit Bild geht es abwärts. Laut den aktuellen IVW-Zahlen fiel die Gesamtauflage im letzten Quartal des Jahres 2015 auf 2.086.125 Exemplare. Damit verlor das Blatt innerhalb eines Jahres fast zehn Prozent seiner Leser.  Die Auflage fällt seit Jahren kontinuierlich. 

Dies ist zwar bei Printtiteln seit dem Auftreten der Online-Konkurrenz ein allgemeiner Trend. Der freie Fall der Auflage von Bild in letzter Zeit wurde jedoch auch durch die falsch gelagerte Ausrichtung der Berichterstattung beschleunigt. Viele Leser wandten sich wegen der Willkommens-Propaganda von dem Blatt ab.

Damit gehört das einstige Flaggschiff des Springer-Verlags zu den Tageszeitungen mit den größten Auflagenverlusten der vergangenen Jahre in Deutschland. Seit 1998 ist die verkaufte Auflage um 52,7 Prozent gesunken.  Das heißt, es werden täglich  2.323.095 Exemplare weniger verkauft. Der kontinuierliche Abwärtstrend fiel dabei stärker als bei fast allen anderen überregionalen  deutschen Tages- und Wochenzeitungen aus.

Das seit dem 24. Juni 1952 im Axel-Springer-Verlag erscheinende Boulevardblatt  war lange Zeit die auflagenstärkste Tageszeitung Europas, bis es Anfang des Jahres 2012 von der britischen The Sun  vom Thron gestoßen wurde.

Diekmann fokussierte sich auf das Onlinegeschäft

Dies geschah unter der Ägide von Kai Diekmann, der bereits 2001 als Chefredakteur sowie Herausgeber von Bild und Bild am Sonntag installiert wurde. Die Auflage lag seinerzeit bei 4,36 Millionen Exemplaren. Diekmanns wichtigste Aufgabe lautete schon damals, den Auflagenrückgang zu stoppen. Doch die Trendwende gelang Diekmann nicht. Anstatt den Printtitel zu retten, fokussierte sich Diekmann zusehends auf das Online-Geschäft. Im Jahr 2012 ging Diekmann sogar für ein halbes Jahr nach Silicon Valley, um sich dort „Inspirationen für digitale Geschäftsmodelle“ zu holen. Im Online-Bereich ist Diekmann erfolgreich: Angeblich hat die Bild 292.000 zahlende Leser mit einem Digital-Abo.

Offenbar unter dem Einfluß der Szene versuchte sich Diekmann mit seinem Hipster-Bart, Tattoos und zerfetzten Jeans nicht nur mit seinem äußeren Erscheinungsbild einem jüngeren Hipster-Publikum anzunähern, sondern auch mit der inhaltlichen Ausrichtung des Blattes. Doch besonders die Willkommens-Propaganda der vergangenen Monate fiel bei zahlreichen Stammlesern durch. Die Kernzielgruppe – der einfache Mann von der Straße – fand sich in Bild nicht mehr wieder. Und die Hipster nehmen trotz der redaktionellen Anbiederung das Blatt auch nicht an.

Tanit Koch ändert die     Blattlinie zur Asylkrise

Anfang Januar dieses Jahres gab Kai Diekmann die Chefredaktion der Printausgabe der Bild an seine  frühere Büroleiterin Tanit Koch ab, bleibt aber immer noch Herausgeber der Zeitung. Koch übernimmt das Blatt in schwierigen Zeiten (siehe Artikel unten). Neben der Auflage brechen auch die Anzeigenumsätze weg. Auch dies ist ein allgemeiner Trend, der alle Printtitel in Deutschland betrifft. Laut einer Studie von Zenith Optimedia überholten die Umsätze für Online-Anzeigen im Jahr 2015 zum ersten Mal sowohl Print wie auch TV.

Seine Nachfolgerin ist die erste weibliche Chefredakteurin des Boulevardblatts seit seiner Gründung. Die 38jährige ist ein Zögling von Diekmann. Laut dem Branchenblatt Horizont schätzt Diekmann an Koch „ihre Fähigkeit, in Krisenzeiten Ruhe zu bewahren“. Die wird sie sicher brauchen. Sollte es mit der Bild auch weiterhin im gleichen Tempo abwärtsgehen, landet sie bald bei der Erstauflage von 1952 – nämlich bei 455.000 Exemplaren.

Als erste Maßnahme hat Koch der Bild eine klare Haltung bei der Auflärung  der Vorgänge in der Silvesternacht verordnet. Die Bild-eigene „Refugees Welcome“-Kampagne hingegen wurde eingedampft. Onlineleser müssen lange scrollen, bis sie einen Link finden. Im gedruckten Blatt sucht der Leser danach vergebens.