© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/16 / 05. Februar 2016

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Die Klage eines amerikanischen Professors, daß er sich als Linker jetzt vor seinen linken Studenten fürchte, ruft nur mäßiges Mitleid hervor. Denn die jüngsten antirassistischen Ausschreitungen an den US-Universitäten kommen nicht von ungefähr. Da geht die Saat auf, die in den sechziger Jahren gesät wurde und Ende der achtziger Jahre zu den ersten Wallungen des Tugendterrors gegen „Western Studies“ führte, als man die DWEM – die „death white european men“ – oder PPPP – „pale, patriarchal penis people“ – aus dem Kanon tilgte. Was seitdem an Zuspitzung und Verschärfung zu beobachten war, ist auf eine einzige Ursache zurückzuführen, die einer der Betroffenen schon seinerzeit auf den Punkt brachte: „Die meisten unserer Kurse liegen in der Hand von Leuten, die das System hassen.“

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Nachbemerkungen zum Tod David Bowies: Bowie bewunderte Jacques Brel und interpretierte dessen „Amsterdam“; Brel verweigerte aber jedes Zusammentreffen mit der Bemerkung, er wolle jemandem wie Bowie nicht die Hand geben. Das Rätselraten um den geschminkten Blitz in Bowies Gesicht könnte man vielleicht beenden, wenn man sich an dessen heute vergessenen Ausrutscher von 1976 erinnert. Da hatte er in einem Interview seine Bewunderung für Hitler bekannt und gemeint, England würde eine Diktatur guttun. Seit den Zeiten Mosleys und der Union of Fascists und diverser Nachfolgeorganisationen gehörte der Blitz zur Ikonographie der äußersten Rechten in Großbritannien.

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Sauberkeit ist zwar eine sekundäre, aber ohne Zweifel eine konservative Tugend.

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Der entscheidende Fehler bei der Auseinandersetzung mit dem Antirassismus ist die Behauptung, daß dessen Anliegen im Grunde legitim sei.

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Ampelanlage vor dem Frankfurter Hauptbahnhof; diesseits drei Autochthone, gegenüber eine Mutter, Kopftuch, zwei Kinder an der Hand, offenbar fremder Herkunft; die Ampel steht auf Rot; diesseits wird gewartet, gegenüber zerrt die Frau ihren Nachwuchs auf die Straße, die Tram rasselt warnend, die Frau hält den Kopf gesenkt und stürmt weiter mit den widerstrebenden Kleinen im Gefolge; die Ampel steht weiter auf Rot; auf der Gegenseite finden sich mittlerweile etwa fünfzig Personen ein, fast ausnahmslos mit Migrationserfahrung; plötzlich setzen sich einige in Bewegung, der Rest folgt; stehen bleiben ein paar Hellhäutige und Asiaten. Die junge Frau diesseits schaut zur Seite, hin zu einem der neben ihr wartenden Landsleute und schüttelt langsam mit dem Kopf, der nickt, während die Masse an beiden vorbeiflutet.

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Bei der Ursachenklärung für die Kritik am grassierenden Humanitarismus hat man endlich auch Arnold Gehlens „Moral und Hypermoral“ entdeckt. Immerhin ein Buch, das vor beinahe fünfzig Jahren erschienen ist und damals eine Art Bestseller war. Aber in der Zwischenzeit haben nur noch Eingeweihte den Text gelesen und verstanden. Die allerdings können heute das Gefühl pflegen, daß es sich um prophetische Sätze handelte. Auch da gilt: Gehlen hat jeden Tag mehr recht und seine Gegner (Habermas lebt ja noch) jeden Tag mehr unrecht.

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Was bei den Bildern von den Demonstranten an den amerikanischen Universitäten auffällt, ist die Pausbäckigkeit und das Ungeformte der Gesichter. Dazu paßt der Trotz in den Mienen und das infantile Beharren auf der Komfortzone, in der man von intellektueller Auseinandersetzung nicht belästigt sein will, da selbst „Mikroaggressionen“ Ruhe und Wohlbefinden stören.

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Bildungsbericht in loser Folge LXXXIV: Eine Untersuchung hat ergeben, daß Kinder türkischer Herkunft hierzulande regelmäßig einen niedrigeren Bildungsabschluß erreichen als Kinder deutscher Herkunft. Sie haben außerdem größere Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Anforderungen und brechen die Schullaufbahn häufiger ab. Was die üblichen Erklärungsmuster – Diskriminierung, Bildungsferne des Elternhauses, kulturelle Distanz – wesentlich weniger plausibel erscheinen läßt, ist die Tatsache, daß gleichzeitig festgestellt wurde, daß Kinder vietnamesischer Herkunft im Durchschnitt keines der angesprochenen Probleme haben, sondern die Autochthonen sowohl was den Anteil an den Abiturienten wie an den guten Durchschnittsnoten angeht, übertreffen. Amüsant sind die Verrenkungen, die unternommen werden, um die naheliegende Erklärung dieser Sachverhalte nicht zur Sprache zu bringen.

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Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat Liane Bednarz ein Forum geboten, um gegen die AfD zu schreiben. Was kommt als nächstes? Ganzseitige Abhandlungen von Toralf Staud oder Andreas Kemper im Interview oder Übungen in praktischem Antifaschismus für die Seite „Jugend schreibt“ oder kostenlose Beilagen der Amadeu-Antonio-Stiftung?

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 19. Februar in der JF-Ausgabe 8/16.