© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/16 / 05. Februar 2016

Mit vollem Karacho Grenzen gesprengt
Stromberg unvergessen: Der Schauspieler Christoph Maria Herbst feiert seinen 50. Geburtstag
Albrecht Klötzner

Er hat die Rolle nicht gespielt, der ist tatsächlich so“, sagt eine Bekannte. „Ich habe ihn mal auf dem Flughafen erlebt –  alles andere als nett unterwegs …“ Die Rede ist von Christoph Maria Herbst – möglicherweise mindestens, wenn nicht sogar besser bekannt als TV-Ekel „Stromberg“. Herbst soll also auf Reisen ähnlich herrisch auftreten wie der fiese Ressortleiter der Schadensregulierung, Abteilung M – Z bei der „Capitol“-Versicherung. Stromberg nicht als Rolle, sondern das wahre Ich? Am kommenden Dienstag nun (9. Februar) kann der Serien- und Theaterdarsteller, der Hörbuch-Einleser und Comedian Christoph Maria Herbst seinen 50. Geburtstag feiern.

Nicht zu erwarten anläßlich dieses Jubiläums sind bunte TV-Beiträge einer rauschenden Geburtstagsparty mit A-,B- oder C-Promis unter Feuerwerk bei ihm zu Hause oder im örtlichen Vereinshaus – etwa so wie jüngst bei Andrea Berg (JF 5/16), die den gleichen runden Geburtstag am 28. Januar bereits hinter sich brachte und halb Deutschland vor der Glotze daran teilhaben ließ. Sollte es Paparazzi nicht gelingen, sich heimlich ein paar Fotos von der Herbst-Feier zu besorgen, wird man wohl nicht allzuviel darüber in bunten Blättern lesen.  

Ein Christoph Maria Herbst benötigt auch keine Titelseiten bei Bunte, Bild und Co. Er ist ein Anti-Star und eher medienscheu. In seiner Rolle als  Stromberg verpaßte er zwischen 2004 und 2012 dem mehltaulastigen, verweichlichten und politisch-korrekten Deutschlandklima eine testosteronschwere Frischzellenkur. Dafür erhielt er 2006 den Adolf-Grimme-Preis und dreimal hintereinander den Deutschen Comedypreis als bester Schauspieler.

Im Stern verriet Herbst einmal, daß er in seiner Jugend auch solche Chefs hatte, wie er ihn später als „Stromberg“ spielte. Das war Anfang der 1980er Jahre während Herbsts Lehre zum Bankkaufmann: „Es gab richtige Charakterschweine“, sagt er in dem Interview. „Typen, die nach oben gebuckelt und nach unten getreten haben.“ Ihn selbst hätten sie allerdings verschont: „Die merken ja, mit wem sie’s machen können.“ Er habe sich mit Sprüchen oder Spott gewehrt. Das glaubt man ihm sofort. Einmal kam er sich während der Lehrzeit dann aber doch gedemütigt vor. Einer seiner Chefs hatte ihn am Theater gesehen, wo er die Rolle eines Ingenieurs spielte, der extrem sächsisch sprach. Das mußte er auf Weisung vor einer Gruppe Vorgesetzter in der Firma wiederholen.

Sein Privatleben hält er geheim

Nun sieht es so aus, als habe er dieses demütigende Jugend-Erlebnis „aufgearbeitet“. Eben in dieser Rolle als „Stromberg“ scheint er Rache dafür genommen zu haben. Die Serie war extrem erfolgreich. Über zwei Millionen schalteten in besten Zeiten ein. Das bedeutete über 15 Prozent Marktanteil bei der werberelevanten Gruppe der 18- bis 49jährigen. Vielleicht sollten geschulte Psychologen und Gesellschaftswissenschaftler ob des Quoten-Erfolges einmal der Frage nachgehen, warum sich deutsche Fernsehzuschauer acht Jahre vor Lachen im Sessel krümmten, wenn „die Glatze des Grauens“ (Spiegel) Mitarbeiter mit Sprüchen wie „Geh deine Schuppen zählen, dann hast du was zu tun“ schurigelte. Das Phänomen Schadenfreude scheint gesellschaftspolitisch noch immer unterschätzt!

Unklar auch, warum kein Aufstand von „FrauenrechtlerInnen“ erfolgte, als Fiesling Stromberg in der Kantine die Kollegin fragt: „Nehmen Sie die Hühnerbrust? Nein? Das hätte auch nicht zu Ihnen gepaßt …“ Um noch hinterherzuschieben: „Ich nehme ja auch nicht die Ochsenschwanzsuppe.“ Oder: „Büros sind für Weiber ein ähnlicher Nährboden wie die Sahara für Spargel.“ Noch einer gefällig? „Die Stimmung im Büro schwankt zwischen Kindergeburtstag und den letzten Tagen im Führerbunker.“ All das ließen berufsaufgeregte Gewerkschafter, Linkspolitiker und andere Moralapostel ohne Protest passieren. Stromberg erniedrigt Frauen, Behinderte, Einwanderer, soziale Randgruppen sowie mental schwache Mitarbeiter.

Warum darf so ein Typ wie Christoph Maria Herbst fast alles, was bei Otto Normalverbraucher zu Proteststürmen, Abmahnungen, Kündigung oder gar Haftstrafe wegen Volksverhetzung geführt hätte? Vielleicht ist es ein ähnliches Phänomen oder Strickmuster, wie es bereits in dem Bestseller „Er ist wieder da“ von Timur Vermes (JF 15/13) funktionierte: Mit vollem Karacho die Grenzen der politischen Korrektheit sprengen. Ist es Zufall, daß das Hörbuch von „Er ist wieder da“ Christoph Maria Herbst eingelesen hat? Wer’s glaubt …  

Das Privatleben hält Herbst geheim wie die NSA ihre Datenbank. In Interviews erzählt er zwar ab und zu, daß er sich seit 2013 vegan ernährt und täglich drei Liter Wasser trinkt. „Kleinere Zipperlein sind bereits weggegangen, und diese Art der Ernährung macht mich irgendwie leichter.“ Undogmatisch legt er aber nach, daß er nicht glaube, daß die vegane Ernährung für jeden das Richtige sei. Doch er sehe sich mit 48 „auf dem Zenit“ seines Lebens, habe deshalb eine Bilanz gezogen und festgestellt, daß er bislang erschreckend inkonsequent gelebt habe.

Bei Wikipedia kann man nachlesen, daß er seit 2012 mit Gisi Herbst verheiratet ist und zuvor von 2006 bis 2009 mit der Schauspielerin Marie Zielcke liiert war. Seit 2011 ist er zudem Schirmherr eines Kinder- und Jugendhospizes in Olpe. Das war’s dann aber auch schon fast mit den Details aus dem Privatleben. Seine eigene Internetseite verrät dort, wo man Persönliches vermutet, unter der Rubrik „Christoph“ nichts, außer Geburtsdatum und ein paar Info-Schnipsel zum Karriereverlauf: Abitur am Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium in Wuppertal, danach Ausbildung zum Bankkaufmann – das war die oben beschriebene Ära der Demütigung – und während dieser Zeit aktiv in der freien Theaterszene Wuppertal. 1986 beteiligte sich Herbst an der Gründung des privaten Theaters in Cronenberg mit angeschlossener Schauspielschule. Da war er zwanzig. Drei Jahre später folgte das erste Engagement am Landestheater Dinslaken. Er spielte einen von zwei Polizisten. Den Versuch Jura zu studieren, brach er nach nur einer Woche wieder ab und kehrte umgehend zur Schauspielerei zurück.

Wo andere Künstler ihre Hobbys aufzählen, den Fans die Lieblingsfarbe, ihr Lieblingsessen und ihre Lieblingsmusik mitteilen, listet Herbst akribisch Listen von TV- und Kinorollen sowie Hörbuch-Hinterlassenschaften auf, an denen er beteiligt war. Die Liste ist deutlich länger als die der Ex-Frauen von Lothar Matthäus.