© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/16 / 12. Februar 2016

Angst vor der Ansteckung
Tropisches Zika-Virus: Die Infektionskrankheit breitet sich weiter aus
Heiko Urbanzyk

Aus Südamerika breitet sich das Zika-Virus aus. Es soll verantwortlich sein für Mikrozephalie, eine Schädel- und Hirnmißbildung bei Neugeborenen. Neuerdings. Denn bisher galt das Virus als relativ harmlos, flog unter dem Radar zuständiger Behörden wie der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die WHO erklärte mittlerweile den weltweiten Gesundheitsnotstand, obwohl, nein: gerade weil die Experten noch gar nicht wissen, was derzeit warum geschieht. „Das Problem sind wirklich die vielen offenen Fragen, die wir im Moment haben,“ sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier dem Deutschlandfunk. 

Die Mißbildung der Säuglinge in Südamerika ist der Hauptgrund für die aktuelle Sorge. Ob diese überhaupt auf Zika zurückgehen, ist noch gar nicht geklärt. „Eine Verbindung mit einer Zika-Virus-Infektion ist noch nicht bestätigt“, heißt es in einer Stellungnahme des Robert-Koch-Instituts (RKI). Die Befunde aus Brasilien und Französisch Polynesien seien lediglich Indizien für einen kausalen Zusammenhang zwischen Zikavirus-Infektion der Mutter in der Schwangerschaft und Fehlbildungen beim Kind, „jedoch noch keine Beweise.“ Es könnten auch parallel grassierende andere Erreger im Spiel sein oder ein spezieller immunologischer Zustand von Müttern, auf den Zika treffen muß.  

Wissenschaftlich gesichert ist zum Zika-Virus bisher Folgendes: Übertragen wird er vor allem durch die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti), aber auch die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) gilt als Überträger. Sexualkontakte und eine Übertragung von der Mutter auf das Kind bei der Geburt sind ebenso als Ursachen erwiesen. 

Die meisten Infizierten zeigen keine Symptome

Eine Infektion macht sich durch geringes Fieber, Hautausschlag, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie durch eine nichteitrige Bindehautentzündung bemerkbar – falls es sich bemerkbar macht. Drei Viertel aller Infizierten zeigen keinerlei Symptome. Tödlich verläuft die Krankheit schon gar nicht. Es gibt keine Impfstoffe und keine Medizin. Die Vorsorge besteht derzeit laut RKI allein darin, Mückenstiche zu vermeiden. Der französische Pharmakonzern Sanofi arbeitet an einem Impfstoff, dessen Marktreife aber noch Jahre auf sich warten lassen wird.  Eine Kopfschmerztablette ist das Mittel der Wahl in der Symptomlinderung, wenn ein Betroffener solche überhaupt bekommt. Klingt die Krankheit nach zwei bis maximal zwölf Tagen ab, bleiben keine Folgeschäden zurück. Daß Zika die seltene Nervenkrankheit Guillain-Barré verursacht, ist eine nicht bewiesene Vermutung. Die Krankheit schädigt Rückenmarksnerven, es kommt zu Lähmungen in den Gliedmaßen und dem Oberkörper, schlimmstenfalls zu einer Atemlähmung.

Die Zahl von 4.000 mißgebildeten Neugeborenen in Brasilien läßt neben dem nicht bewiesenen Zusammenhang mit Zika keine Rückschlüsse auf das Ausmaß und die Intensität der Verbreitung zu. Es handelt sich um bloße Verdachtsfälle. Die Behörden führen als solche zur Zeit wirklich jeden kleinsten Hinweis. So zum Beispiel, wenn der Kopf eines Kindes schlicht zu klein ist. Eine schwere Behinderung im Sinne der Mikrozephalie bedeutet dies noch lange nicht. Der aktuelle Brennpunkt neben Brasilien ist Kolumbien. Auch im US-Bundesstaat Texas, wurde der Notstand aufgrund einiger Infektionsfälle ausgerufen. 

In Deutschland wurde bisher ein Fall bei einer Schwangeren registriert – eine Infektion wohlgemerkt, kein mißgebildetes Kind. Insgesamt sind sechs infizierte Personen aktenkundig, allesamt Reiserückkehrer. Wie viele es wirklich sind, ist nicht abschließend zu klären. Hierzulande besteht für Zika bislang keine Meldepflicht. Allerdings erklärte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kurz nach dem WHO-Notstand: „Eine Übertragung in Deutschland halten die Experten für sehr unwahrscheinlich, aber wir bleiben wachsam.“ 

Damit einzelne Infektionen in Deutschland besser überwacht werden könnten, sei die Einführung einer Meldepflicht für die sogenannten Arboviren, zum Beispiel Zika-Virus und Dengue-Fieber, auf den Weg gebracht worden. „Dadurch erhalten die Gesundheitsämter vor Ort die notwendigen Informationen, um im Bedarfsfall entsprechende Vorkehrungen zu treffen“, zitiert das Ministerium Gröhe weiter. Aus einer steigenden Zahl von Infektionsfällen dürften daher keine falschen Schlüsse gezogen werden. „Da nun zunehmend Reiseheimkehrer untersucht werden, ist mit einem Anstieg der Zahlen alleine durch die verstärkte Diagnostik zu rechnen.“ 

Bei Reisen unbedingt auf Mückenschutz achten

Das Problem für Deutschland: Weil die Tigermücke als Überträger kühle Temperaturen verträgt, ist sie bereits bis Süddeutschland verbreitet.  „Insbesondere bei erstmaligem Auftreten von Zika-Virus-Infektionen in einer Population ist aufgrund der fehlenden Immunität mit einem hohen Infektionsdruck zu rechnen“, heißt es technisch-hölzern vom RKI. Bei dem ersten Ausbruch in Französisch-Polynesien hätten sich im Jahr 2014 etwa zehn Prozent der Bevölkerung infiziert; auf der mikronesischen Insel Yap sogar mehr als 70 Prozent.   

1947 entdeckten Forscher das Zika-Virus im Blut von Rhesusaffen im ugandischen Zika-Wald. Seit den 1950er Jahren dreht das Virus immer wieder seine weltweiten epidemischen Runden – aufgrund der bisher geltenden Harmlosigkeit weitestgehend unbeachtet. „Wenn Sie oder ich vor zwei, drei Monaten zum Arzt gegangen wären, zurückgekommen aus einer tropischen oder subtropischen Gegend, und eben über diese Symptome Kopfweh, Gliederschmerzen, Fieber geklagt hätten – ich wage zu behaupten, daß alles mögliche unternommen worden wäre, aber auf Zika wäre wahrscheinlich keiner gekommen“, gibt WHO-Sprecher Lindmeier zu bedenken. 

Nun warnt selbst das eher skeptische RKI, und die Deutsche Tropenmedizinische Gesellschaft empfiehlt  Schwangeren, „Reisen in bekannte Zika-Virus-Ausbruchsgebiete möglichst zu vermeiden und bei unvermeidlichen Reisen auf konsequenten Mückenschutz zu achten. Das Auswärtige Amt schließt sich dieser Empfehlung zum Beispiel für Endemiegebiete in Brasilien an.“ Die Welt ist klein geworden, auch für Viren.