© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/16 / 12. Februar 2016

Der Staat braucht das Geld
Erbschaftsteuer: Bis Jahresmitte hat die Bundesregierung Zeit, eine Neuregelung zu verabschieden / „Kronbacher Kreis“ schlägt zehnprozentige Einheitssteuer vor
Christian Schreiber

Bis Jahresmitte hat die Bundesregierung Zeit, die Erbschaftsteuer neu zu regeln. Ende 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht das Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) in wesentlichen Punkten für grundgesetzwidrig erklärt: die Privilegierung betrieblichen Vermögens sei bei größeren Unternehmen unverhältnismäßig. Um die Umsetzung wird heftig gestritten. Gewerkschaften und linke Parteien fordern eine härtere Gangart, Finanzminister Wolfgang Schäuble will den Mittelstand nicht verprellen.

Der Streit dreht sich vor allem um die Verschonungsregeln für große Familienunternehmen. Bei einem Betriebsvermögen von über 26 Millionen Euro greifen sie dann, wenn der Erbe nachweisen kann, daß er finanziell auf eine steuerliche Entlastung angewiesen ist. Kritiker finden dies zu großzügig. Schäuble will durch die Reform 1,5 Milliarden Euro jährlich mehr einnehmen – das wäre eine Steigerung um 30 Prozent. Dabei hatte der Finanzminister nach dem Karlsruher Urteil versprochen, den Mitelstand zu schützen.

Die Steuerschuld über zehn Jahre strecken?

Die Politik in Deutschland sollte sich nicht darauf beschränken, die Verschonungsregeln im Rahmen einer „minimalinvasiven“ Reform fortzuführen, fordert hingegen die Stiftung Marktwirtschaft: „Die aktuellen Bemühungen der Bundesregierung zur Reform der Erbschaftsteuer haben mit der Kabinettsvorlage zur Neuordnung der Erbschaftsteuer zu einem unbefriedigenden Ergebnis geführt.“ Eine gerechte Besteuerung von Erbschaften, die eine Gefährdung von Arbeitsplätzen und unternehmerischen Investitionen in Deutschland vermeide, sei durch eine Steuer mit hohen Steuersätzen und Verschonungsregeln für Unternehmen nicht erreichbar – selbst wenn die Verschonungsregeln noch so sorgfältig austariert würden. 

Initiator eines Strategiepapiers ist der 1982 gegründete wirtschaftsliberale „Kronbacher Kreis“, der aus sechs Professoren bestehende Wissenschaftliche Beirat der Stiftung. Anstelle von hohen Steuersätzen, die weitreichende Verschonungsregeln bedingen, schlagen die Experten eine „gerechte und effiziente Erbschaftsteuer mit niedrigen Steuersätzen für alle Erbschaften“ vor. Freibeträge für Erbschaften von Normalbürgern und Stundungen in Härtefällen solle es weiter geben. Konkret wird anstelle des bisherigen Höchststeuersatzes von 50 Prozent eine zehnprozentige Einheitssteuer (Flat Tax) gefordert.

Dem Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) ist selbst das zu viel – der Steuersatz auf das Betriebsvermögen müsse „deutlich unter zehn Prozent“ liegen. „Mittelständischen Unternehmen muß auch die Möglichkeit gegeben werden, die Steuerschuld über zehn Jahre zu strecken, damit sie aus dem laufenden Ertrag abgezahlt werden kann“, argumentiert der BVMW.

Und auch die Familienunternehmen sind mit dem Vorschlag der sechs Experten unzufrieden: „Ein Flat Tax-Modell bei der Erbschaftsteuer erfordert, daß die Politik das Bewertungsproblem für die eigentümer- und familiengeführten Unternehmen löst. Bisher werden die mittelständischen Unternehmen regelmäßig überbewertet, weil die Bewertungsregel den Verkehrswert zu Lasten der Unternehmen nach oben treibt“, erklärt Markus Kerber, Geschäftsführer des Industrieverbandes BDI. Immerhin könnten die Firmen mit der Einheitssteuer eher leben als mit der Gesetzesvorlage.

Doch die Flat Tax-Einnahmen blieben unter denen vom Schäuble-Modell. Angesichts des unabsehbaren und nicht ausfinanzierten Migrantenzuzugs braucht der Staat jeden Cent. Und aus dem Solidaritätszuschlag könnte bald eine „Flüchtlingssteuer“ werden.

Kronberger-Kreis-Papier „Erbschaftsteuer: Neu ordnen statt nachbessern“: www.stiftung-marktwirtschaft.de