© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/16 / 12. Februar 2016

Gewalt und Repression
Chiquita & Co.: Zwielichtige Geschäfte im Zeichen der Banane
Lukas Noll

Es ist ein heißer, schwüler Tag in Puerto Viejo, doch Pablo Riviera schlägt sich wacker in seiner langen Hose. Mit einer Bananenkiste, die wie aus Janoschs Kinderbuch „Oh wie schön ist Panama“ entnommen scheint, läuft er die kaum befahrene Küstenstraße entlang und versucht, ganze Sträuße voller Bananen unters Volk und die wenigen Touristen zu bringen. Fast hat es der „Tico“, wie sich Costa Ricas Einwohner nennen, geschafft: Nicht, weil die Grenze zu Janoschs Traumland Panama nur wenige Kilometer entfernt liegt. Aber viele Bananen sind es nicht mehr für heute – ein kleiner Trost in Anbetracht des Hungerlohns, den Riviera für seine Tätigkeit kassiert. 

Auch in anderer Hinsicht dürften ihm die Bananen zu schaffen machen: Die Pestizide, mit denen die Plantagen im Süden Costa Ricas bespritzt werden, um makellos in Europas Supermärkten zu landen, haben das Trinkwasser zur giftigen Brühe verkommen lassen. Ein Leid, das auch Riviera trifft, der die Bananen nur zustellt und nicht, wie viele Plantagenarbeiter, schlimmsten Hauterkrankungen ausgesetzt ist.

Gewerkschafter werden immer wieder attackiert

Dabei läuft, glaubt man der deutschen Botschaft in Panama, im Grenzgebiet eigentlich alles ganz wunderbar: „Daß eine Kooperation großer internationaler Unternehmen, deutscher Entwicklungspartnerschaft und lokaler Ansprechpartner zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz ein Erfolg sein kann, beweist das Projekt ‘Sixaola – Changuinola’ im Grenzgebiet Panama – Costa Rica“, freuen sich die Diplomaten auf ihrer Internetpräsenz. 

Zusammen mit dem Lebensmittelkonzern Rewe und der Bananenmarke Chiquita hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit das Projekt 2010 aus der Traufe gehoben, um mit 1,2 Millionen Euro „einen Beitrag zum Umwelt- und Artenschutz zu leisten“. Eine prominente Partnerschaft: Das „kleine Mädchen“, wie „Chiquita“ aus dem Spanischen übersetzt heißt, begegnet einem an fast jeder deutschen Obsttheke. Doch wer hinter dem spanischen Namen ein bodenständiges lateinamerikanisches Unternehmen vermutet, dürfte sich wundern: Der US-Großkonzern Chiquita Brands International aus Cincinatti, Ohio, kommt seit Jahrzehnten immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt – und das nicht gerade wegen Krümmungsverordnungen, sondern reichlich krummer Geschäfte und massiver Menschenrechtsverletzungen. Vergiftetes Trinkwasser wie in Costa Rica erscheint da fast wie der kleinste Posten im Sündenregister des Konzerns. In Ohio wurde das am 4. Januar abermals in einem Berufungsverfahren bestätigt: 13 Millionen US-Dollar muß das Unternehmen an das Versicherungsunternehmen National Union zahlen, nachdem herausgekommen war, daß der Bananenkonzern die Versicherungssumme unter anderem  für Geldzahlungen an Terrororganisationen in Kolumbien herangezogen hatte.

Um seine Bananenplantagen im damaligen Bürgerkriegsland zu schützen, leistete Chiquita zunächst über Jahrzehnte hinweg Schutzgeldzahlungen an die kommunistischen Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC). Weil die gewaltsamen Übergriffe seitens der Guerrilla trotzdem nicht ausblieben, versuchte sich der Konzern schließlich mit Hilfe der paramilitärischen Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) zu verteidigen. So sollen zwischen 1997 und 2004 mehr als 1,7 Millionen Dollar an den Dachverband verschiedener paramilitärischer Gruppierungen geflossen sein. Die persönlich zwischen der Managementebene von Chiquitas kolumbianischer Tochtergesellschaft Banadex und AUC-Führer Carlos Castaña ausgehandelten monatlichen Zahlungen wurden selbst dann fortgesetzt, als das US-Außenministerium die Gruppierung 2001 auf die Liste der Terrororganisationen setzte. 

Die Chiquita-Tochter beließ es nicht bei Geldzahlungen: Statt Bananen waren es im November 2001 beispielsweise 3.000 AK47-Gewehre, die im Banadex-Hafen Zungo eintrafen und umgehend in die Lkws der Paramilitärs verladen wurden – für den Paramilitär Castaña damals Grund genug, sich öffentlich über sein bislang „bestes Tor“ zu freuen. Das Geschäft mit den Paras, die in Kolumbien für fast 2.000 Massaker an Zivilisten und mehrere Millionen Binnenvertreibungen verantwortlich gemacht werden, endete erst 2004: Als die kolumbianische Regierung eine Demobilisierung der Todesschwadronen einleitete, beendete der Konzern sein Kolumbiengeschäft. 

„Chiquita wurde in Kolumbien erpreßt, und die Verantwortlichen glaubten, daß die Zahlungen nötig seien, um gewaltsamer Vergeltung gegen unsere Angestellten vorzubeugen“, versuchte Unternehmenssprecher Ed Loyd die Involvierung hochrangiger Chiquita-Manager 2007 noch schönzureden, die die Terrorfinanzierung als „cost of doing business in Colombia“ bezeichnet hatten. Chiquita sei selbst ein Opfer des Paramilitarismus. Nicht ganz ohne Erfolg: das Gericht in Florida stimmte einem Vergleich zu, erlegte Chiquita nur 25 Millionen Buße auf.

Auch andernorts in Lateinamerika läßt Chiquita Zweifel daran aufkommen, daß das Wohl der Angestellten im Fokus der Konzernpolitik steht. Neun gewaltsame Attacken auf Gewerkschafter zählte der Honduraner Tomás Membreño Pérez von der Gewerkschaft agrarwirtschaftlicher Arbeiter (STAS) allein 2015. 

Bananenrepublik ist hier nicht nur ein Sprichwort

Grauenvolle Arbeitsbedingungen, die Bestrafung von Gewerkschaftsmitgliedschaften und sogar den Entzug von Löhnen wirft Pérez dem Konzern etwa auf der Plantage Finca Santa Rita vor – und bekommt am eigenen Leib zu spüren, was es bedeutet, den Kampf mit dem Bananengiganten aufzunehmen. Einmal schon wurde er auf offener Straße angefahren – von einem Wagen ohne Nummernschild. 

Dem US-amerikanischen International Labor Rights Forum (ILRF) zufolge erhält Pérez Morddrohungen, die ihn zusammen mit Frau und Sohn für die „Organisation von Arbeitern“  zur Rechenschaft ziehen wollen. Im zentralamerikanischen Honduras, das seit einigen Jahren traurige Berühmtheit als Staat mit der weltweit höchsten Mordrate feiert, dürfte das keine leere Drohung sein: Mehr als 30 Gewerkschafter sind seit 2009 zum Opfer von Mordanschlägen worden. 

Überhaupt: Honduras. Das Schimpfwort Bananenrepublik hat dem kleinen Land quasi seinen Namen zu verdanken. Als „kleines Land in den tropischen Gebieten Amerikas, das besonders vom Export von Bananen lebt und von fremdem, meist US-amerikanischem Kapital abhängig ist“, erklärt der „Duden“ den Begriff wie zugeschnitten auf Honduras. Jahrzehntelang wurde der United Fruits Company (UFC), wie der Chiquita-Konzern bis 1990 hieß, hier mehr Macht zugeschrieben als der eigentlichen Regierung. Das lag längst nicht nur an den Besitzverhältnissen des Konzerns in Zentralamerika. Es ist vor allem die geringe Außenhandelsdiversifikation, die den Bananenexport zum unerläßlichen Wirtschaftsfaktor für die Länder Zentralamerikas macht – und diese damit erpreßbar durch Standortverlagerungen. 

So machte der Bananenexport in Honduras während der vergangenen Jahre gut zehn Prozent der Exporte aus, 2015 verzeichnete Honduras’ Bananenexport einen Zuwachs von über zehn Prozent. Über die wirtschaftliche Bedeutung des Bananensektors hinaus zeigte sich auch die US-Regierung über Jahrzehnte hinweg bereit, im per Monroe-Doktrin zum Hinterhof degradierten Lateinamerika die Konzerninteressen der UFC durchzusetzen – auch mit militärischen und geheimdienstlichen Mitteln. 

Als Honduras’ Regierung 1910 die Aufhebung steuerlicher Privilegien für die internationalen Bananenfirmen ins Auge faßte, schickten die USA von New Orleans aus kurzerhand ein Schiff voller Ex-Sträflinge nach Honduras, um dessen Präsidenten zu stürzen. Unterstützt wurde die Operation logistisch vom Bananenmogul Samuel Zemurray, der später Präsident der United Fruits Company werden sollte. 

Der Coup gelang: Nicht nur, daß mit Manuel Bonilla ein US-freundlicher Militär ins Präsidentenamt befördert werden konnte. Die Bananenkonzerne wurden für die nächsten 25 Jahre auch von sämtlicher Steuerlast befreit und Zemurray erhielt umfangreiche Konzessionen für die Eisenbahn- und Hafennutzung sowie rund 10.000 Hektar Land zur Verfügung gestellt. Genug hatte man dem US-Konzern damit scheinbar noch nicht getan: Vier weitere Male sah sich die amerikanische Regierung in den Folgejahren zu Interventionen in der „Bananenrepublik“ genötigt.

Weniger Probleme schien der UFC zunächst das Nachbarland Guatemala zu machen, wo bis 1985 der Hauptsitz des Konzerns lag. Diktator Jorge Ubico sicherte dem Unternehmen 1936 vertraglich „benötigtes Land“ zu und verpflichtete die Bananenfirma dafür zum Bau von Eisenbahnlinien, Hafenanlagen und Straßen. Indigene Bauern wurden enteignet, um dem Konzern die zugesicherten Nutzflächen zu erschließen, die guatemaltekische Bevölkerung durch astronomische Gebühren faktisch von der Nutzung der neugeschaffenen Infrastruktur ausgeschlossen. 

Die Zukunft gehört den zertifizierten Früchten

Für die Dauer von 99 Jahren ließ sich die UFC vollständige Zoll- und Steuerfreiheit festschreiben, Lohnkürzungen wurden per Regierungsdekret genehmigt. Der Deal schien perfekt – zu perfekt jedenfalls, um ihn nach einem Machtwechsel erneut zu verhandeln. Als Guatemalas neue Regierung die an die UFC verteilten Nutzflächen zurückenteignete, wandte sich der Konzern 1954 erneut an die USA. Das Schreckgespenst eines sozialistischen Umschwungs vor der eigenen Haustüre überzeugte in Washington. Mit der von der CIA geplanten „Operation PBSUCCESS“ wird auch Guatemala ganz offiziell zur Bananenrepublik – und damit zu einer Militärdiktatur, der in den nächsten vierzig Jahren fast 200.000 Menschen zum Opfer fallen. Den Finger krumm für den Bananengiganten machen in den folgenden Jahrzehnten alte Bekannte: die paramilitärischen Todesschwadronen. Es ist der „cost of doing business“ – auch in Guatemala.

Im Blickfeld der Botschaft in Panama ist davon nichts zu spüren, zu entspannt wohl auch die politische Lage im Süden Zentralamerikas, als daß sich Chiquita hier nennenswerte Skandale erlauben dürfte. Das „kleine Mädchen“, die gelbe Bananenfrau auf dem blauen ChiquitaLogo, wartet im Hafen von Almirante auf die große Überfahrt – zumindest auf den Containern abgebildet, die hier verladen werden. Darin befinden sich seit ein paar Wochen jedoch andere Bananen: Mit der „Hola Banana“-Reihe will sich Chiquita ein freundlicheres, umweltbewußtes Image geben. Früchte aus den Bananenrepubliken im Norden finden sich nicht darunter. Im klimasensiblen Europa kommen fortan nur noch die „Rainforrest Alliance“-zertifizierten „Erste-Klasse-Bananen“ aus Costa Rica und Panama an.