© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/16 / 19. Februar 2016

Ein langgezogener Staatsstreich von oben
Positionen des Widerstands gegen die Zerstörung der Nation durch „Einwanderung“
Dirk Glaser

Eine Gesellschaft mit begrenztem Raum und begrenzten Mitteln kann nicht unbegrenzt Fremde aufnehmen. Das ist eine vom Soziologen Jost Bauch formulierte Binsenweisheit der Güteklasse „Die Erde ist keine Scheibe“. Der derzeitigen Bundesregierung und der sie tragenden politisch-medialen Klasse erschließt sich dieser simple Sachverhalt trotzdem nicht.

Bauch und sein Co-Autor, der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, haben im Vorwort zu ihrem schmalen, aber inhaltsschweren Band „Einwanderung oder Souveränität“ daher allen Grund, wegen der „politisch geförderten hemmungslosen Invasion von Fremden“ mit „Fassungslosigkeit“ zu reagieren, und sie wollen dementsprechend, daß ihre Broschüre, bei aller nüchternen, aufklärenden Analyse, auch als „Aufschrei des Entsetzens über die aktuelle Einwanderungspolitik“ gehört werden möge.

Um ihre eigene und die Fassungslosigkeit ihrer Leser nicht noch zu steigern, konzentrieren sich die Autoren auf die verfassungsrechtlichen und die ideologischen Aspekte der Massenmigration. Sie sparen damit die von Harald Seubert im Nachwort berührte Demagogie aus, es handle sich bei diesem orientalisch-afrikanischen Unterschichten-Einstrom um „Flüchtlinge“, um „Fachkräfte“, um die „Riesenchance“ für das Gesundheits- und Rentensystem einer überalterten, kinderarmen Gesellschaft. 

Dieses Gespinst regierungsamtlicher Lügen geriet bereits im Oktober, als der Text von Bauch und Schachtschneider zur Druckerei ging, ins kritische Feuer von Bevölkerungswissenschaftlern wie Gunnar Heinsohn und Rentenexperten wie Bernd Raffelhüschen. Nach der Kölner Silvesternacht titeln plötzlich auch die Leitmedien wie selbstverständlich „Flüchtlinge stoppen die Überalterung nicht“ (FAZ vom 21. Januar 2016) und „Warum Flüchtlinge eine Last für die Wirtschaft sind“ (Welt Online vom 24. Januar). 

Das Deutsche Deutschlands soll überwunden werden

Anders als Ökonomen und Demographen haben jedoch Staatsrechtler zu jenen zerstörerischen Auswirkungen der Berliner „Flüchtlingspolitik“ geschwiegen, die in ihre Zuständigkeit fielen. Erst kurz vor Weihnachten mehrten sich negative Kommentare zur Politik des „multiplen Rechtsbruchs“ (Stefan Aust), vorgetragen allerdings ausschließlich von den Senioren des Faches. Wie das bei den Stellungnahmen des Ex-Verteidigungsministers und emeritierten Münchner Staatsrechtslehrers Rupert Scholz (CDU) am deutlichsten zutage tritt, folgen alle diese Versuche, die Verfassung gegen eine Regierung zu verteidigen, die sie nicht erst seit dem Sommer 2015 mit Füßen tritt, implizit der Souveränitätsdogmatik Schachtschneiders.

Dieser erklärte Kantianer, seit seinem Einsatz gegen Maastricht-Vertrag und Euro-Einführung bewährt als streitbarer „Hüter der Verfassung“ gegen eine zu deren Auflösung in Europa entschlossene Berliner Parteienochlokratie, faßt hier seine vor kurzem historisch-systematisch entfaltete Souveränitätslehre (JF 43/15) zusammen und skizziert, was daraus mit zwingender Logik für die Behebung der gefährlichsten Staatskrise in der Geschichte der Bundesrepublik folgen müsse. Abweichend von einer hegelianischen Tradition, die bis heute Volkssouveränität mit Staatssouveränität verwechsle, definiert Schachtschneider sie als Bürgersouveränität. 

Wenn freiheitliche Bürgerlichkeit gelingen solle, müßten die Menschen aber ein wirkliches, durch Geschichte, Sprache, Schicksal zusammengefügtes Volk sein und bleiben. „Das Deutsche“ als nationale Homogenität habe mit dem Begriff „Deutsches Volk“, der in der Präambel des Grundgesetzes (GG) steht und zum Ausdruck kommt in den Artikeln 1 und 20 GG, die beide, gesichert durch Artikel 79 III und 23 I GG, die Strukturprinzipien Deutschlands formulieren, „unabänderlichen Verfassungsrang“. 

Eine zur Masseneinwanderung animierende Politik der Veränderung des deutschen Volkes, „durch die das Deutsche Deutschlands überwunden wird“, sei mit der Souveränität der Deutschen unvereinbar. Und allein diese Homogenität der Bürgerschaft garantiere den Bestand eines freiheitlichen und solidarischen Gemeinwesens. Solange sich die Deutschen nicht, wie dies Artikel 146 GG ermöglicht, per Volksabstimmung gegen das Grundgesetz und etwa für eine EU-Verfassung entschieden, komme die verfassungswidrige, weil vom Souverän nicht ermächtigte Praxis, durch „Einwanderung“ die Zusammensetzung des Staatsvolks zu ändern, einem „langgezogenen Staatsstreich“ von oben gleich. 

Dieser schlage sich seit Jahren nieder in zahllosen offenkundigen Rechtsverletzungen wie der rechtsstaatswidrigen Duldung illegalen Aufenthalts, der Aussetzung von Abschiebungen, den dreisten Ankündigungen, Illegale oder nur temporär Schutzberechtigte als „Neubürger integrieren“ zu wollen, oder, als Höhepunkte des Sommertheaters, im völkerrechtswidrigen Bruch des Dublin- III-Abkommens und der bis heute ungeklärten Anordnung des Bundesinnenministers, von der Einreiseverweigerung nach Paragraph 18 Asylgesetz abzusehen.     

Der medial zugerichtete Konservenmensch ist Ziel

Es bedurfte für Schachtschneider nicht des Pariser Blutbads vom 13. November 2015 oder der Kölner Menschenjagd von Silvester, um angesichts solcher Symptome eines nicht mehr auszuschließenden Kollapses von europäischer Dimension den grundgesetzlich gebotenen „Widerstand“ nach Artikel 20 GG zu erwägen. Von Demonstrationen bis zu Arbeitsniederlegungen seien viele gewaltfreie Varianten möglich, darunter auch der von ihm nicht erwähnte Steuerstreik. 

Schachtschneider verschweigt aber nicht, daß schul- und bildungspolitisch seit Jahrzehnten alles getan worden ist, um die demokratietheoretisch stets als unverzichtbar beschworene Erziehung zum „mündigen Bürger“ gleichzeitig nach Kräften zu sabotieren – etwa durch die Eindampfung des Geschichtsunterrichts. Da sich die Masse der Deutschen dies bis hin zu den Zumutungen einer auf Wahnwitz abgestellten „Willkommenskultur“ gefallen ließ, befinde sie sich aktuell im Zustand „selbstverschuldeter Unmündigkeit“. Diese fehlende „Bürgerlichkeit der Bürger“ und damit eine realistische Perspektive für Schachtschneiders „Widerstand“, beklagt er selbst als das „große Defizit des Deutschlands unserer Tage“.  

Jost Bauch sieht in solcher apathischen „Apolitizität“ das Resultat eines nach der Wiedervereinigung forcierten Bewußtseinswandels weg von der zurückgewonnenen Nationalstaatlichkeit und der nationalen Identität. Im Rahmen des „neuen kalten Krieges“ zwischen den von ihren Eliten verratenen  „demokratischen Nationalstaaten und den globalisierten Finanzmarktkörpern“ (Frank Schirrmacher) hätten sich auch die deutschen Funktionsträger in Politik und Wirtschaft, Medien und Wissenschaft für die Schaffung des „kosmopolitischen, globalisierten Einheitsmenschen“, für die „Auslöschung der Völker“ (Schachtschneider) entschieden. 

„Typisch deutsch“ sei mittlerweile, nachdem die galoppierende „Vergangenheitsbewältigung“ Adolf Hitler zum Kulminationspunkt unserer tausendjährigen Geschichte erkor, „die Selbstdistanzierung und Selbstverleugnung vom Eigenen“. Volkspädagogisch sei damit ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zum „medial zugerichteten Konservenmenschen“ in der fremdbestimmten „Multiminoritätengesellschaft“ ohne kulturellen Mittelpunkt erreicht. Auch Bauch möchte das nicht widerstandslos hinnehmen und schließt mit einem Aufruf: „Wehren wir uns, auch wenn es unwahrscheinlich ist, daß wir Erfolg haben. Sich nicht gewehrt zu haben, ist eine Schande!“

Karl A. Schachtschneider, Jost Bauch: Einwanderung oder Souveränität. Deutschland am Scheideweg. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2015, broschiert, 144 Seiten, 14,80 Euro